Ver.di kämpft für unbefristete Verträge

Gewerkschaft hat in Nordrhein-Westfalen Anfang September eine Kampagne gegen sachgrundlose Befristungen gestartet.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den Stellenbörsen im Internet finden sich unzählige befristete Stellenangebote. Egal ob Diplompsychologen mit Berufserfahrung in Vollzeit oder ungelernte »Securitymitarbeiter« gesucht werden, Stellen gibt es oft nur auf ein, zwei oder drei Jahre befristet.

In Düsseldorf hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in jüngster Zeit bei zwei Unternehmen Erfolge im Kampf gegen sachgrundlose Befristungen erzielt. Der Flughafensicherheitsdienst »Kötter« hatte es zum Prinzip gemacht, erst Arbeitslose einzustellen, sie dann mit sogenannten Bildungsgutscheinen an der firmeneigenen Akademie auszubilden und anschließend für zwei Jahre zu beschäftigen. Dem Betriebsrat passte dieser, wie es dessen Vorsitzende Torsten Bogula nennt, »Drehtüreffekt« nicht. Der Betriebsrat lehnte daraufhin befristete Neueinstellungen ab und forderte Kötter auf, stattdessen befristete Kollegen zu entfristen. Nach dem erfolglosen Gang des Arbeitgebers vor das Arbeitsgericht gibt es inzwischen eine Betriebsvereinbarung, die die Übernahme befristet Beschäftigter regelt. Der Anteil befristet Beschäftigter konnte so von 70 auf 30 Prozent gesenkt werden.

Den zweiten Erfolg haben ver.di und der Betriebsrat der Rheinbahn erreicht. Das Düsseldorfer Nahverkehrsunternehmen hatte es zur Praxis gemacht, neue Straßenbahn- und Busfahrer befristet auf zwei Jahre einzustellen. Betriebsratsvorsitzender Uwe David nennt diese Befristungen »nichts anderes als eine verlängerte Probezeit«. David ist sich allerdings sicher, dass die reguläre Probezeit von sechs Monaten ausreicht, um herauszufinden, ob jemand für den Job geeignet sei. Vom Jahresende 2014 an verhandelte der Rheinbahn-Betriebsrat mit der Geschäftsführung um ein Ende der Befristungen zu erreichen. In Arbeitsdirektor Klaus Klar fand man schnell einen Verbündeten. Er sah in den Befristungen eine Belastung für das Unternehmensklima. Außerdem müsse das Motto der Rheinbahn, ein verlässlicher Partner für die Bürger zu sein, auch für die Beschäftigten gelten. Die Geschäftsführung ließ sich überzeugen, im Laufe des Jahres 2015 wurden die befristeten Verträge entfristet, und Neueinstellungen werden mit der regulären Probezeit vorgenommen. Uwe David vom Betriebsrat nennt außerdem einen positiven Nebeneffekt, bei der Rheinbahn würden sich jetzt besser qualifizierte Menschen bewerben, für die eine befristete Stelle nicht attraktiv gewesen wäre.

Eine unbefristete Stelle hatte Katharina aus Bochum noch nie. Sie ist Mitte 30, hat ein Diplom in Sozialwissenschaften. Nach dem Abschluss hatte sie zwei kurz befristete Stellen an der Ruhr-Uni in Bochum. Später wechselte sie an eine andere Universität, war für dreieinhalb Jahre in einem Forschungsprojekt. Nachdem ihre Stelle dort auslief, hatte sie von Arbeit an der Uni »die Schnauze voll«.

Seit einem Jahr schlägt sie sich mit Kurzzeitjobs in der politischen Bildung durch. Auch hier das gleiche Problem wie überall: auf kurze Projekte befristete Stellen und völlig entgrenzte Arbeitsverhältnisse. »Wenn ein Vortrag oder ein Seminarkonzept fertig werden muss, dann sitzt man da auch mal bis nachts um 2 Uhr dran«, erzählt Katharina. Bald fängt die junge Frau eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung an, auf ein Jahr befristet, aber mit der Chance auf eine spätere Entfristung.

Befristete Arbeitsverhältnisse sind für die Beschäftigten ein riesiges Problem. In manchen Gegenden haben die Menschen keine Chance, eine Wohnung zu mieten. Auch bei Bankkrediten, selbst wenn es sich um relativ kleine Summen handelt, haben befristet arbeitende Menschen oft das Nachsehen. Beim Parteitag der SPD NRW hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor zwei Wochen erklärt, sie wolle die »Projekteritis« beenden, damit junge Leute in sicheren Verhältnissen leben und arbeiten könnten. Ver.di will bei der Kampagne mit der Politik »ins Gespräch« kommen. Im Prinzip also gute Voraussetzungen, um das Befristungsunwesen in Nordrhein-Westfalen einzudämmen - falls es die Sozialdemokraten wirklich ernst meinen.

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