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Syrien: Müde Hoffnung auf Frieden

Schweizer Krisengespräche in neuem Format / Absprache Moskau-Ankara vermutet

  • Irina Wolkowa
  • Lesedauer: 3 Min.

Neben der Stammbesetzung - den Chefdiplomaten Russlands und der USA - sitzen erstmals auch deren Kollegen aus der Türkei, Saudi-Arabien und eventuell Katar bei den Gesprächen in der Schweiz am Tisch. Auf der Agenda stehen die Rückkehr zur Waffenruhe im Raum Aleppo und Maßnahmen zur Minderung der Spannungen zwischen den Akteuren.

Russische Beobachter, darunter UdSSR-Altpräsident Michail Gorbatschow, hatten diese Woche erstmals öffentlich Befürchtungen vor einem bewaffneten Konflikt zwischen Moskau und Washington geäußert. In Syrien rieche es nach dem Dritten Weltkrieg, warnte auch Syriens Präsident Baschar al-Assad in einem Interview für das russische Massenblatt »Komsomolskaja Prawda«. Das Außenministertreffen in Lausanne, fürchtet die einflussreiche Moskauer Tageszeitung »Kommersant«. sei womöglich die letzte Chance für eine diplomatische Lösung.

Es ist die erste Begegnung der Außenamtschefs Russlands und der USA, nachdem Washington die Zusammenarbeit mit Moskau im Syrien-Konflikt aufgekündigt hatte. Sergei Lawrow und John Kerry einigten sich am Mittwoch bei einem Telefonat über einen konkreten Termin und das neue Format.

Um Lausanne ging es auch bei einem Telefonat, das Wladimir Putin zuvor mit Frankreichs Präsidenten Francois Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel führte. Tags zuvor hatte der Kremlchef sowohl eine für kommende Woche mit Hollande geplante Begegnung in Paris als auch ein neues Treffen in Berlin im Normandie-Format platzen lassen. Paris hatte Russland wegen Kriegsverbrechen in Syrien mit dem Internationalen Strafgerichtshof gedroht, Berlin und Washington winkten mit neuen Sanktionen.

Das Kreml-Protokoll hatte die Absagen diplomatisch höflich formuliert. In seinem Exklusiv-Interview für das französische Fernsehen (TF1) schlug dafür Putin umso schrillere Töne an. Für die Lage in Syrien seien die USA und deren Verbündete verantwortlich. Washington habe zudem Sicherheitsgarantien für Hilfskonvois verweigert. Russische Militärs seien bereit gewesen, die Straße nach Aleppo zu sichern. Er habe verlangt, so Putin, amerikanische Soldaten einzubinden. Die USA hätten abgelehnt.

Das Klima ist vergiftet. Dennoch hofft Moskau, wie Putins Sprecher wissen ließ, in Lausanne auf Ergebnisse und einen »realen Beitrag« zum Konfliktmanagement. Experten sind skeptisch und zeigen nur müde Hoffnung. Derzeit hätten auf beiden Seiten politische und militärische Hardliner das Sagen. In Assads Lager nehme Iran die radikalste Position ein. Dessen Fernbleiben in Lausanne lasse befürchten, dass Teheran eigene Interessen durchsetzen wolle, die nicht mit denen Moskaus identisch seien. Für den schiitischen Iran seien die Kämpfe in Syrien vor allem Teil der globalen Auseinandersetzung mit den Sunniten und deren inoffizieller Führungsmacht Saudi-Arabien. Da Riad wichtigster Sponsor der syrischen Opposition ist, drohe deren weitere Radikalisierung. Beide Lager, meinte ein Kolumnist, würden sich in Syrien und womöglich nicht nur dort, einen Kampf für den Frieden liefern, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibe.

Weil bisher alle Versuche einer Waffenruhe nur ein paar Tage hielten, hätte Moskau sich auf das neue Format in Lausanne nie eingelassen, wenn es nicht Vorabsprachen gegeben hätte, die einen Durchbruch ermöglichen, glaubt Wladimir Sotnikow vom Zentrums Russland-Ost-West. Putin habe bei seinem Türkei-Besuch Anfang der Woche seinen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan zu einem Paketgeschäft überredet: Je größer Ankaras Bereitschaft zu konstruktivem Krisenmanagement in Syrien, desto schneller würden die Wirtschaftssanktionen fallen. Moskau und Ankara würden in Lausanne mit einer »konsolidierten Position« auftreten, über deren Inhalt seien zuvor auch die USA und die Saudis informiert worden. Kommentar Seite 2

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