Kurden in Deutschland demonstrieren Solidarität mit der HDP

Protestkundgebungen in mehreren deutschen Großstädten nach Inhaftierung von Oppositionspolitikern in der Türkei

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Freitagnacht gegen 1:30 Uhr in den Hauptbahnhöfen von Essen und Dortmund ist es ungewöhnlich laut für diese späte Stunde. In Dortmund haben sich etwa 50 Kurden versammelt um gegen die Festnahmen von Oppositionspolitikern der HDP in der Türkei zu protestieren, in Essen sind es noch ein paar mehr. Die Hauptbahnhöfe haben sie ausgewählt, weil es die einzigen Orte sind, an denen zu dieser Zeit überhaupt noch Menschen unterwegs sind. Das spärliche Publikum reagiert überrascht und ignoriert die Demonstranten weitestgehend. Die Bundespolizei und die Sicherheitsmänner schauen sich den Protest an. Ihnen ist in der Nacht nur wichtig einen Korridor für Reisende frei zu halten. Gegen 3 Uhr in lösen sich die Proteste auf.

Keine zwölf Stunden später, Freitagnachmittag, sind sie wieder zu Hunderten auf der Straße. Wieder in Dortmund und Essen, aber nun auch in Duisburg, Düsseldorf, Bielefeld und Münster sowie in Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main und weiteren deutschen Großstädten.

In Essen hat man sich vor dem türkischen Generalkonsulat versammelt. Es liegt auf dem Gelände der ehemaligen Gustav-Heinemann-Kaserne im Stadtteil Kray, umgeben von hohen Mauern. In einem Baum am Rand hängt eine verblichene Türkei-Fahne. Ein Überbleibsel von Demonstrationen, die Erdogan-Anhänger in der Putsch-Nacht im Juli und den folgenden Tagen veranstaltet haben. Beschäftigte des Konsulats sind an diesem Freitag nicht zu sehen. Dagegen zeigt die deutsche Polizei deutliche Präsenz. Schnell sperrt sie mit am Konsulat gelagerten Gittern den Platz für die Kundgebung ab.

Gut 250 Menschen haben sich derweil versammelt. Einer von ihnen ist Yilmaz. In der Nacht hat er noch am Bahnhof protestiert. An Schlaf war seither für ihn auch nicht zu denken. »Ich wollte auf dem Laufenden bleiben und der weitere Protest musste organisiert werden«, erzählt er dem »nd«. Viele Menschen aus dem Ruhrgebiet seien am Morgen zu einer Protestaktion vor dem Europäischen Parlament in Brüssel gefahren.

Die Essener planten am Abend nach Düsseldorf zu fahren und dort gemeinsam mit anderen Kurden vor dem Landtag zu demonstrieren. »Das kann auch länger dauern«, sagt Yilmaz und: »Wir werden jetzt keine Ruhe geben.« Die Festnahmen der HDP-Abgeordneten seien der endgültige Beweis dafür, dass sich die Türkei auf dem Weg in die Diktatur befinde. Von Deutschland und der EU wünscht sich Yilmaz ein klares Bekenntnis gegen den autoritären Umbau in der Türkei. Das Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen Gesandten einbestellte, sei gut, reiche aber nicht aus.

Die Kundgebung in Essen verläuft bis auf eine Ausnahme friedlich. Nachdem aus einem Auto, das das Gelände des Konsulats verlässt, der Gruß der faschistischen Grauen Wölfe gezeigt wird, fliegen einige Gegenstände auf das Fahrzeug. Ein Kurde wird daraufhin kurzzeitig festgesetzt. Er soll eine Dose auf den Wagen geworfen haben.

Auch in Düsseldorf und Dortmund versuchten türkischstämmige Rechte die HDP-Solidaritätsdemonstrationen zu provozieren. In beiden Städten wirkten Ordner zügig auf die Demo-Teilnehmer ein, so dass die Provokationen ins Leere liefen.

Während weitere Proteste am Abend noch liefen – in Berlin kamen bis zu 1500 Menschen am Brandenburger Tor zusammen –, wurde bereits für Samstag eine Großdemonstration in Köln von kurdischen Gruppen angekündigt. Es wird mit bis zu 15.000 Teilnehmern gerechnet. Die Demonstration soll einmal quer durch die Innenstadt ziehen. Die Polizei warnt vor Verkehrsbehinderungen.

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