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Schäuble zu Gast bei den Grünen

CDU-Minister leistet Finanzpolitikern Sven Giegold und Gerhard Schick bei Buchvorstellung Gesellschaft

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Annäherung der besonderen Art hat am Montag in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung stattgefunden. Die drei Grünen-Finanzexperten Sven Giegold, Gerhard Schick und Udo Philipp stellten dort ihr Buch »Finanzwende - den nächsten Crash verhindern« vor. Um mit ihnen darüber zu diskutieren, luden sie niemand Geringeres als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein. Der steht wie kein anderes Mitglied des Kabinetts für die unnachgiebige Eurokrisenpolitik der Bundesregierung und kam tatsächlich auch.

Der gemeinsame Auftritt hatte eine gewisse Brisanz. Und zwar nicht unbedingt, weil das Buch im Wagenbach Verlag erscheint, wo einst die Schriften von Ulrike Meinhof und Mao Tse Tung veröffentlich wurden. Vor allem gelten der EU-Parlamentarier Giegold und der Bundestagsabgeordnete Schick dem linken Flügel der Ökopartei zu gehörig. Beide Politiker waren 2010 Gründungsmitglieder des Instituts Solidarische Moderne (ISM), einem rot-rot-grünen Thinktank, der »neue linke Politikkonzepte« entwickeln will.

Sie stehen in ihrer Partei vermutlich also noch weniger für konservativ-ökologische Annäherungsversuche als Schäuble bei der Union. Der behauptet zumindest, bereits in den 1990er Jahren von seinem Vorgänger Theo Weigel (CSU) vorgeschickt worden zu sein, wenn es galt, mit der damals noch jungen Partei zu verhandeln. Schon damals soll allen klar gewesen sein: »Der Schäuble ist im Herzen ein Schwarz-Grüner.«

Giegold kommt dann auch nicht herum, Schäuble trotz aller Gegensätze zu loben, obwohl Berlin zum Beispiel bei der Entwicklung der internationalen Bankenvorschriften von Basel bremst. So sei in so manchem Bereich, wo die EU-Kommission fast ein Jahrzehnt nach der Finanzkrise die Bankenwelt wieder deregulieren will, Berlin »auf der richtigen Seite«. Und auch die Finanztransaktionssteuer wäre laut Giegold schon längst gescheitert, hätte Schäuble nicht »die Fahne hochgehalten«. Nachdem die Einführung zunächst auf EU-Ebene am Widerstand Großbritanniens und dann innerhalb des gesamten Euroraums wegen der Niederlande gescheitert ist, verhandeln seit 2013 nur noch elf Staaten über die Einführung dieser Steuer, mit der die Finanzwelt gleichzeitig sicherer gemacht und für die Kosten der großen Krise 2007/8 herangezogen werden soll.

Eine solchen großen Crash möchten Giegold, Schick und Philipp mit den in ihrem Buch vorgestellten Vorschlägen künftig verhindern. Dass sie es »Finanzwende« genannt haben, ist ein Signal an ihre eigene Partei. Die Bändigung der Börsen und Finanzmärkte soll einen ähnlich hohen Stellenwert haben wie die Energiewende oder die ökologische Agrarwende. »Der Finanzmarkt muss dem Menschen dienen, nicht der Mensch dem Finanzmarkt«, schreiben sie. Stattdessen sehen sie einen erneuten Crash auf uns zukommen. »Die Finanzkrise ist noch nicht vorbei«, sagt Schick. Europas Banken seien weiterhin instabil.

Auch der heimische Branchenprimus wankt schon seit längerem leicht. 15,5 Milliarden Euro ist das Eigenkapital der Deutschen Bank an der Börse nur noch wert - und das bei einer Bilanzsumme von 1,8 Billionen Euro. »Sollte sich bei dieser gewaltigen Summe an Vermögensgegenständen nur ein kleiner Abschreibungsbedarf ergeben oder eine Strafe für Marktmanipulationen um ein paar Milliarden Dollar höher ausfallen als erwartet, kommt schnell große Nervosität an den Märkten auf«, heißt es in dem Buch.

Damit es nicht noch mal auf den Märkten kracht, wollen die drei Grünen nicht mehr, sondern härtere Regeln. Sie wollen die Schattenbanken strenger regulieren und die Eigenkapitalregeln für Banken verschärfen. Giegold, Philipp und Schick wollen zehn Prozent Eigenkapital im Vergleich zur gesamten Bilanzsumme verpflichtend machen. So soll sichergestellt werden, dass die Banken im Falle einer Schieflage genügend eigene Mittel haben, um sich selbst zu retten. Im Gegenzug sollen Eigenkapital und Fremdkapital steuerlich gleichgestellt werden. Im Gegensatz zu Dividenden können Zinsen auf Schulden nämlich abgesetzt werden.

Und haben die drei Schäuble auf ihrer Seite? »Globale Finanzmärkte leiden darunter, dass wir mit nationalen Regelungen nichts richtig erreichen«, meint er und zieht sich so ganz schnell auf den Standpunkt zurück, dass die Forderungen von Giegold und Co. in der Praxis nicht alltagstauglich seien. Denn wenn es an die Umsetzung gehe, dann werde alles unglaublich kompliziert.

Ein bisschen glaubt man Schäuble das sogar. Vor allem, wenn er erzählt, dass er bereits überlegt, ob er überhaupt noch für den Bundestag kandidieren soll.

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