Wie ein SPD-Sonnyboy Özdemir und Co. die Show stiehlt

Wozu haben sich die Grünen für die Konservativen schön gemacht, wenn Schulz sie nun pulverisiert, fragt Kathrin Gerlof

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

… auf den personellen Unterschied konzentriert, nämlich auf Frau Merkel. Das hat lange ausgereicht, aber nun nicht mehr.« Carsten Linnemann, der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung und angeblich einer der Hoffnungsträger der Union, ist ein Mann der starken Bilder. Schief sind sie auch, aber egal. Der personelle Unterschied Angela Merkel wird schon wissen, was gemeint ist. Und der »Flügelspieler« Jens Spahn (Was wird Lindemann nur damit gemeint haben?) ist sich seiner tragenden Rolle, die ihm der Hoffnungsträger zugewiesen hat, sicher auch bewusst und spielt die Pässe richtig. Denn Linnemann ist klar: Viele Menschen haben richtig schlimm Angst, »dass der Fahrstuhl, mit dem sie hochgefahren sind, abzusacken droht«. Verdammt, schöner hätte man es nicht sagen können. Auch wenn sich an dieser Stelle viele fragen werden, wann sie mit welchem Fahrstuhl wo hochgefahren sind und ob das Gefühl, immer am unteren Ende der Fahnenstange rumwurschteln zu müssen, nur ein Fake ist.

Linnemann jedenfalls will in diesem Jahr auf keinen Fall wieder so einen »Wellness-Wahlkampf« wie 2013. »Jetzt müssen wir umstellen.« Das sitzt, weil er nicht die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 gemeint hat, obwohl man es denken könnte, denn in Berlin reden sie von nichts Anderem und beim sonntäglichen »Tatort« bekommt man andauernd diese Störer eingeblendet, dass es bald kein Fernsehen mehr gibt.

Die Grünen sollten auf Linnemann hören, denn die haben, seit Martin Schulz im Rennen ist - vom Magazin »Spiegel« heiliggesprochen, damit er sich später umso schöner demontieren lässt -, ein Umfrageproblem. Sagen die Medien. Lächerliche sieben Prozent bringen sie gerade, während die teure Tote über 30 und damit auch über sich selbst hinausgewachsen ist. Der Wechselwähler, eine fürchterliche Spezies Mensch, reißt sich die grünen Klamotten vom Leib und steigt in rosarote. Es ist ein Drama.

Und schon beginnt die Suche nach den Ursachen. Kluge Ratschläge gibt es zuhauf. Die Grünen sollen sich endlich wieder auf ihr Kernthema konzentrieren. Wer jetzt wissen will, welches das ist, sollte in alten Folianten kramen, da steht was über ökologische Umgestaltung der Gesellschaft und in noch älteren Schriften gab es das Synonym »Umweltpartei« für die Grünen. Die wollten tatsächlich mal den Planeten retten.

Ein anderer guter Rat der Medien ist, das Spitzenduo möge sich doch anstrengen, alle Flügel der Partei zu bespielen. Geht gar nicht, die beiden Spitzen sind nun mal, wie sie sind - eher so konservativ. Und es wäre auch Etikettenschwindel und so etwas goutiert der Wechselwähler gleich gar nicht. Was haben die Grünen in den vergangenen Jahren nicht alles mitgemacht und mitgetragen, um nur ja nicht in den Verdacht zu geraten, mit ihnen sei eine Regierung links von der Mitte möglich? Kriegt man ja nicht einfach weg, diesen guten Ruf - Spitzenduo her und hin.

Allerdings können sie darauf bauen, dass Martin Schulz nicht lange der Sonnyboy der Medien - und damit von uns allen - bleiben wird. Es ist nämlich viel schöner, jemanden von ganz oben stürzen zu lassen als aus dem langweiligen Mittelfeld. Die ersten Vorwürfe klingen noch sanft: ein bisschen Kungelei und Vetternwirtschaft in Brüssel, wenig Kenntnis des Berliner Politikbetriebs, lacht zu viel und zu oft - schließlich ist die Lage ernst ... Gut möglich, dass die Grünen also wieder ein paar Prozentpunkte zurückbekommen von der teuren Toten. Dann ist alles schick, obwohl sich an der Gesamtrechnung nichts geändert haben wird.

Vielleicht hängt das Umfragetief aber auch damit zusammen, dass die Grünen sich für wenig zu schade sind, wenn es darum geht, ans Regieren zu kommen. Rot-Grün, Schwarz-Grün, Schwarz-Rot-Grün, Schwarz-Gelb-Grün - man kann über alles reden. Früher hatte die FDP mal diese Rolle. Komischerweise mag aber der opportunistische Wechselwähler opportunistische Parteien nicht allzu sehr.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal