Investitionen als Rinnsal

Andauernde Debatte um mangelhafte Krankenhausfinanzierung der Bundesländer

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundesländer drücken sich nach wie vor: Entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Krankenhausfinanzierung zahlen sie nur die Hälfte dessen, was sie müssten. Der Unmut über diese Praxis bricht bundesweit immer wieder hervor, denn kostendeckende Erlöse gibt es für die Kliniken schon lange nicht mehr. Die Häuser müssen ihre Angebote steigern, um die Lücke bei den Investitionen selbst zu schließen. Dafür brauchen sie wiederum Geld, das anderswo abgezwackt wird. Häufig ist das die Pflege, doch auch dieser Bereich ist langsam ausgelaugt - zu Lasten der Patientensicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten. Bei der Personalbemessung, die an hiesigen Krankenhäusern noch nicht verpflichtend ist, liegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich deutlich zurück hinter der Schweiz und Schweden, selbst hinter den USA.

Laut Gesetz müssen die Länder die Investitionskosten der Kliniken tragen, also für Neubauten, Sanierungen und Großgeräte aufkommen. Weil sie das nicht in ausreichendem Maße tun, sind viele der etwa 1900 deutschen Kliniken strukturell unterfinanziert. Die Zahlungen der Bundesländer sanken in den vergangenen 20 Jahren von 3,9 Milliarden auf 2,7 Milliarden Euro. Dabei gibt es große Unterschiede bei der Krankenhausfinanzierung: Sie erfolgt pauschal in Nordrhein-Westfalen, über Anträge in Bayern oder über ein Sondervermögen in Niedersachsen.

Die neue rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin hat angekündigt, die Investitionen wieder auf den Bundesdurchschnitt anheben zu wollen. Die Hauptstadt war jahrelang Schlusslicht im bundesweiten Vergleich. 2016 erhielten die Berliner Krankenhäuser 107 Millionen Euro, in diesem Jahr sollen es 109 Millionen sein plus noch einmal 55 Millionen aus dem Sondervermögen aus Haushaltsüberschüssen. Zum Abbau des bestehenden Investitionsstaus würden jedoch 240 Millionen Euro pro Jahr gebraucht, wie die Berliner Krankenhausgesellschaft angibt.

Zu Sonderinvestitionen hat sich auch das Land Niedersachsen entschlossen. Dort sollen bis 2020 rund 1,3 Milliarden Euro für Modernisierungen und Baumaßnahmen in Krankenhäusern ausgegeben werden. Mit einer weiteren Pauschalförderung von etwa einer halben Milliarde Euro soll der Investitionsstau in diesem Bundesland beseitigt werden. Bundesweit lag dieser 2016 bei 27,8 Milliarden Euro.

Das seit 2016 gültige Krankenhausstrukturgesetz sollte hier Entlastung bringen, jeweils 870 Millionen Euro für 2016 und 2017 sind demnach fällig. Das Gesetz zielt aber letztendlich auf die Ausdünnung der Kliniklandschaft, wodurch auch die benötigten Investitionssummen sinken würden. Etwa in den Bundesländern Bremen und Nordrhein-Westfalen sei die Bettendichte zu hoch, heißt es. Vor allem Kliniken in kommunaler Trägerschaft sehen sich benachteiligt und befürchten steigende Defizite. Verständlicherweise setzen sie auf den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser. Kritik an dem Gesetz kommt vor allem aus der Opposition. Sie bemängelt, dass die Personalprobleme damit noch nicht gelöst werden könnten, wodurch auch der Betrieb der Häuser langfristig nicht sichergestellt sei.

Indes soll der Schließung unbedingt benötigter Krankenhäuser eine weitere Maßnahme aus dem genannten Gesetz entgegenwirken: Künftig werden Zuschläge für Kliniken in strukturschwachen Regionen häufiger fällig. Ende 2016 wurden dafür im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) der Krankenkassen, Ärzte und Kliniken Kriterien festgelegt, darunter für die Existenz von Abteilungen der Chirurgie und der Inneren Medizin. Die Länder sollen die Voraussetzungen prüfen, ihre Behörden können jedoch von den Vorgaben abweichen. Laut dem G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken könnten in Zukunft 80 statt bisher nur vier Krankenhäuser diese Zuschläge erhalten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert dieses Vorgehen dennoch heftig und sieht die beabsichtigten Zahlungen in der »faktischen Bedeutungslosigkeit«. Die DKG hatte eine Einbeziehung der Geburtenstationen in die Kriterien vorgeschlagen, war damit aber nicht erfolgreich.

Zumindest in Teilen der SPD wird mittlerweile gefordert, dass sich der Bund - wie bereits vor mehr als zehn Jahren - wieder an den Investitionskosten der Krankenhäuser beteiligt. Auch die LINKE will eine zentrale Investitionskostenförderung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Zugleich ist die Partei gegen eine Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an der Finanzierung, denn die klinische Infrastruktur stehe auch Privatpatienten zur Verfügung. Die Krankenkassen bezahlen bereits die Behandlungskosten der Versicherten in den Kliniken über Fallpauschalen. Diese werden mit Hilfe der Basisfallwerte je nach Behandlungsaufwand berechnet.

2015 gab es in der Bundesrepublik 577 Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft, 679 Häuser hatten freigemeinnützige Träger wie das Rote Kreuz oder die Diakonie. Außerdem gab es 700 private Krankenhäuser. Als Reaktion auf Kostendruck und Unterfinanzierung gibt es momentan Übernahmen etwa bei den Krankenhäusern mit konfessionellen Trägern. Im kommunalen Bereich gibt es erste Ansätze zur Bildung von Klinikketten oder Zusammenschlüsse zu regionalen Zentralkrankenhäusern. Bei den privaten Trägern stehen den fünf großen Konzernen Helios, Asklepios, Sana, Rhön und Ameos nur noch wenige kleinere Unternehmen gegenüber.

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