Merkel fordert Freilassung Yücels

Aschermittwochsrede der Kanzlerin: Bundesregierung werde alles in ihrer Macht stehende tun / Inhaftierter Journalist dankt Unterstützern

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat öffentlich die Freilassung des in Istanbul inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel verlangt. »Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern«, sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Aschermittwochsrede in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesregierung werde »alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.«

Merkel wies darauf hin, dass Yücel nach ihrer Auffassung »nichts anderes getan hat, als seiner Arbeit nachzugehen«. Daher müsse seine Freilassung durchgesetzt werden, denn »unabhängiger Journalismus muss existieren können«. Die Kanzlerin betonte auch die Bedeutung der Pressefreiheit in Deutschland: »Die Tatsache, dass es freie und unabhängige Medien in dieser Republik gibt, ist ein Teil unserer Demokratie und darf niemals in Frage gestellt werden - auch wenn es unbequem ist.«

Der in Istanbul inhaftierte Yücel selbst wandte sich am Mittwoch über seinen Anwalt mit einer kurzen Botschaft an seine Freunde und Unterstützer. »Glaubt mir: Es tut gut, verdammt gut«, hieß es in der handschriftlichen Notiz an die Adresse derjenigen, die sich für seine Freilassung einsetzen. Der Text wurde von der Zeitung »Die Welt« (Donnerstagsausgabe) veröffentlicht, für die Yücel bisher als Korrespondent tätig war.

Auf dem Zettel mit der Anrede »Hallo Welt« beschreibt Yücel, dass sich seine Haftbedingungen in der Untersuchungshaft im Vergleich zum vorherigen Polizeigewahrsam verbessert hätten. »Tageslicht! Frische Luft! Richtiges Essen! Tee und Nescáfe! Rauchen! Zeitungen! Ein echtes Bett! Eine Toilette für mich alleine, die ich aufsuchen kann, wann ich will«, schreibt er. Tagsüber könne er sich mit einer Handvoll politischer Häftlinge in Küche und Hof aufhalten, abends habe er eine Zelle für sich allein.

»Es mag sich merkwürdig anhören, aber mir kommt es so vor, als hätte ich ein kleines Stück meiner Freiheit zurückgewonnen«, kommentiert Yücel die Veränderungen. »Und obwohl sie mich meiner Freiheit beraubt, bringen mich das Verhör und die Urteilsbegründung noch immer zum Lachen.«

Yücel schrieb die Notiz laut »Welt« in der Untersuchungshaftanstalt Metris, kurz bevor er am Mittwochvormittag in das Gefängnis Silivri, ebenfalls in Istanbul, verlegt wurde. Dem Blatt zufolge sollen dort ähnliche Bedingungen herrschen wie in Metris.

Nach Auskunft seines Anwalts drohen Yücel zehneinhalb Jahre Haft. Dies sei die Höchststrafe für Volksverhetzung und »Terrorpropaganda«, die dem deutsch-türkischen Journalisten zur Last gelegt werden, sagte der Rechtsanwalt Anwalt Veysel Ok der Nachrichtenagentur AFP. Dieser legte demnach Einspruch gegen die Untersuchungshaft für Yücel ein. Der Journalist hatte sich am 14. Februar freiwillig der Polizei gestellt.

Unterdessen wurde bekannt, dass offenbar der türkische Justizminister am Donnerstag in Baden-Württemberg erwartet wird. Der Deutschlandfunk berichtete, ein Abgeordneter der Regierungspartei AKP habe bestätigt, dass Bekir Bozdag einen Wahlkampfauftritt abhalten wolle, um bei den in Deutschland lebenden Stimmberechtigten für Zustimmung zum Präsidialsystem in der Türkei zu werben. Agenturen/nd

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