Big Brother im Personalausweis

Gesetz zur Förderung des elektronischen Personalausweises bietet neue Möglichkeiten der Überwachung

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland hat ein neues »Big Brother-Gesetz«, sagt der ehemalige Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar. Es geht um das »Gesetz zur Förderung des elektronischen Personalausweises«. Das wurde am späten Donnerstagabend mit den Stimmen der Großen Koalition im Bundestag beschlossen, Grüne und Linkspartei stimmten gegen das Gesetz.

Besonders kontrovers ist ein Passus, der im hinteren Teil des Gesetzes versteckt ist. In Zukunft dürfen die Polizeibehörden und der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärgeheimdienst die biometrischen Fotos aus dem Personalausweis »automatisiert« abrufen. In einer Stellungnahme kritisiert die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff die Hürden dazu seien zu niedrig. Die Anfragen sollen zudem »nur von der abrufenden Behörde« protokolliert werden, zur Wahrung ihrer »Geheimschutzinteressen«.

Bisher dürfen die Geheimdienste nur per Einzelantrag die persönlichen Daten von Verdächtigen bei den Meldeämtern abfragen. Die protokollieren die Anfragen. Damit könnten Datenschützer im Nachhinein ermitteln, wie häufig Polizei und Geheimdienste Daten abfragten. Das sei nun nicht mehr möglich, kritisiert der ehemalige Datenschutzbeauftragte, Peter Schaar.

Mit dem Gesetz werde »faktisch eine biometrische Datenbank aller Bürger« geschaffen, so Wolfgang Kubicki, Vize-Vorsitzender der FDP am Donnerstag. Zusammen mit der Ausweitung der Videoüberwachung sei Deutschland damit »gefährlich nah am Überwachungsstaat.«
Der automatische Abruf der biometrischen Lichtbilder sei nötig zur Terrorbekämpfung, argumentiert hingegen die Bundesregierung. Er sei schneller, könne zudem auch außerhalb der Öffnungszeiten der Meldeämter erfolgen und beschränke die Zahl der beteiligten Personen »auf das unbedingt notwendige Maß«.

Außerdem soll die elektronische Identifizierungsfunktion des neuen Personalausweises (eID) in Zukunft standardmäßig eingeschaltet werden und nur auf Antrag abgeschaltet werden können. Darüber müssen die Bürger bei Beantragung eines neuen Personalausweises zumindest informiert werden.
Bisher hat nur ein Drittel der 51 Millionen Menschen, die seit 2010 einen neuen Personalausweis erhalten haben, die elektronische Identifizierung aktivieren lassen. Wer ein Lesegerät für die eID hat, kann den neuen Personalausweis für eine sichere Identifizierung im Internet verwenden. Doch bislang bieten das nur wenige Unternehmen und Behörden an.

In dem nun beschlossenen Gesetz ist der Kreis der Behörden, die Daten abrufen dürfen, noch erweitert worden. Auch der Zoll und die Steuerfahndung sollen zukünftig Zugriff auf die Ausweisfotos haben. Eine weitere Verschärfung des Gesetzes trotz Kritik von Datenschützern bei einer Anhörung im April: Das Gesetz soll bereits im Mai 2018 in Kraft treten, drei Jahre früher, als ursprünglich geplant.

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