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Elf Männer, elf Frauen, elf Politiker, elf Zivilisten

Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron punktet mit seiner pluralistischen Regierung

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Präsident Chirac wollte ihn 2002 als Umweltminister, Sarkozy 2007 und Hollande 2012. Alle ließ er abblitzen, doch der neue Präsident Emmanuel Macron konnte ihn überzeugen: Nicolas Hulot, der als Naturfilmer und Verteidiger der Umwelt übers Fernsehen zu einer der populärsten Persönlichkeiten Frankreichs wurde, ist jetzt Umweltminister. Er gehört zu den elf Vertretern der »Zivilgesellschaft« in der neuen Regierung von 18 Ministern und vier Staatssekretären, die Präsident Macron und sein Premier Edouard Philippe nach mühsamem Jonglieren und Austarieren in dieser Woche vorstellen konnten.

Zu den ausgewiesenen Fachleuten im neuen Kabinett gehören auch eine Ärztin als Gesundheitsministerin, eine Verlegerin als Kulturministerin, ein ehemaliger Lehrer als Bildungsminister, eine Uni-Direktorin als Ministerin für das Hochschulwesen, eine Fechterin mit Olympia-Gold als Sportministerin, ein Informatiker als Minister für Digitalwirtschaft, eine im Verhandeln mit den Gewerkschaften erfahrene Personalchefin eines Nahrungsmittelkonzerns als Arbeitsministerin, eine Mutter, deren Tochter Trisomie 21 hat, als Staatssekretärin für Behinderte.

Unter den elf Politikern im neuen Kabinett ist nur einer, der auch schon unter Hollande dabei war - der bisherige Verteidigungsminister und neue Außenminister Jean-Yves Le Drian. Seine Nachfolgerin im - wie es jetzt neu heißt - Armeeministerium wurde die bisherige Europaabgeordnete Sylvie Goulard. Dem Bürgermeister von Lyon, Gérard Colomb, der Macron vom Anfang seines steilen Weges zum Elysée an unterstützt hat, wurde das Innenministerium anvertraut. François Bayrou, der im Februar zu Macron stieß und seine kleine Zentrumspartei MoDem zur Unterstützung mitbrachte, wurde Justizminister und kann nun selbst das von ihm seit Jahren geforderte Gesetz über die »Moralisierung der Politik« als erste Initiative der neuen Regierung im Parlament einbringen.

Neben Bayrou gehört noch eine Politikerin der Zentrumspartei MoDem zur Regierung. Le Drian ist das einzige Noch-PS-Mitglied, aber auch drei ehemalige Sozialisten, die jetzt Macrons Bewegung »En marche« angehören, sind dabei, ferner zwei Mitglieder der kleinen Partei der linken Radikalen. Dass er mit elf Männern und elf Frauen das selbst gesetzte Ziel der Parität erreicht hat, ist das eine, aber viel mehr interessierte, ob er auch die angestrebte politische Ausgewogenheit zwischen Linken und Rechten würde erreichen können.

Nach dem am Montag ernannten Premierminister Edouard Philippe von der konservativen Partei der Republikaner hat Macron zwei von dessen Parteifreunden Schlüsselministerien anvertraut: Bruno Le Maire wurde Wirtschafts- und Finanzminister und Gérard Darmanin Budgetminister. Alle drei wurden von der Partei der Republikaner umgehend ausgeschlossen, aber dort war man doch erleichtert, dass nicht mehr abgewandert sind.

Macron hatte noch mehr im Visier, aber von den prominenten Rechten gab außer Le Maire niemand der Verlockung nach und Leute aus dem zweiten Glied wollte der Präsident nicht haben. So lässt er es lieber darauf ankommen, dass seine Regierung doch nicht so ganz ausgewogen ist und sich etwas mehr nach links als nach rechts neigt, zumindest formal. Allerdings sind mit Wirtschaft und Finanzen zwei Schlüsselressorts in der Hand von Rechten, was es Kritikern aus dieser Richtung und den Unternehmerverbänden schwer machen dürfte, die Maßnahmen der neuen Regierung in Bausch und Bogen zu verurteilen.

Dass diese von den Republikanern als »Übergangskabinett« für die vier Wochen bis zur Parlamentswahl abqualifiziert wird, kann Macron nicht erschüttern. Er ist überzeugt, dass sein öffentlichkeitswirksam zusammengestelltes Team für Erneuerung und Fortschritt steht und damit Zustimmung unter den Wählern gewinnt. Die braucht Macron dringend, um sich mit seiner Bewegung La République »En marche« gegen harte Konkurrenz von rechts und Mauern von links durchzusetzen und zum Weiterregieren eine stabile Parlamentsmehrheit zusammenzubringen.

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