Rettung des heiligen Stephanus

Steinskulpturen im Dom Halberstadt müssen gesichert werden. Restaurateure entwickeln dafür eine neue Technik

  • Uwe Kraus, Halberstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Dem heiligen Stephanus, der Schutzpatron des Halberstädter Domes, geht es mies. Die Skulptur im Hohen Chor ist wie die des Co-Patrons Sixtus und der zwölf Apostel arg restaurierungsbedürftig - aschfahl und zerfurcht blicken ihre Gesichter in den Kirchenraum.

Die 14-farbig gefassten Steinskulpturen sind in einem schlechten Zustand, diagnostiziert Restauratorin Corinna Grimm-Remus. Sie benötigen unbedingt eine »Ganzkörperkur«, wie Ralf Lindemann von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt erklärt. Geschieht das nicht, droht der Verlust der originalen Fassung, also der Farbschicht an den Skulpturen. »Die Farbe ist im Laufe der Zeit zu einer Hülle geworden, die losgelöst vom Stein steht«, erläutert Grimm-Remus auf dem Gerüst in fünf Meter Höhe, das sie den Figuren ganz nah sein lässt.

Das Problem hierbei ist nur: Es gibt noch keine Methode, wie derartigen Schäden beizukommen ist. Auch anderenorts treffen die Experten auf ebenso stark geschädigte mittelalterliche Skulpturen. Nun testen in den kommenden drei Jahren Restauratoren im Halberstädter Dom Methoden, um Stephanus & Co. vor dem Verfall zu bewahren. Nicht einfach, schließlich betrete man damit Neuland. »Dazu gibt es nichts auf dem Markt«, so die Restauratorin, die sich wie kaum jemand anderes bereits seit Jahren mit den Skulpturen des Halberstädter Domes befasst. Dabei entpuppt sich nicht der Staubmantel der Jahrhunderte als Problem, sondern eben die lose Farbe. Eine Notsicherung steht nun an. Denn Umwelteinflüsse haben über die Jahrhunderte die Haut der Figuren angekratzt. Im 19. Jahrhundert waren sie bei einer Fenstersanierung über Jahre den schwankenden Außentemperaturen ausgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag sogar Schnee im Hohen Chor. In dem Restaurationsprojekt soll auch erforscht werden, wie die massiven Schäden im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind.

300 000 Euro stehen für die Restaurierung zur Verfügung, fast 120 000 Euro kommen allein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, wie deren Mitarbeiter Paul Bellendorf berichtet. Für besonders innovativ hält er bei dem Projekt die Zusammenarbeit mit der Bauhausuniversität Weimar. Die lässt Drohnen im Dom kreisen, um den Raum dreidimensional darzustellen. Auch dabei ist Vorsicht geboten: Bei den Nahaufnahmen dürfen sich die kleinen Flugobjekte nicht zu dicht an die Figuren heranwagen. Die fragile Farbschicht könnte durch die Abluft schlicht weggepustet werden.

Um die Bemalung zu sichern, versuchen die Restauratoren eine Art Schutz oder Zwischenschicht im Sinne einer Kaschierung zu finden, die eine Fassungsfestigung und »Replatzierung« erlaubt, wie es heißt, aber den Verlust der Farbe durch direkte Berührung verhindert. Dabei soll der Schmutz entfernt werden, ohne die Bemalung zu beschädigen.

Im Rahmen einer ersten Notsicherung soll dieses modellhaft entwickelte Vorgehen am gesamten Skulpturenbestand umgesetzt und fachlich überprüft werden. Dazu wird es auch ein Fachkolloquium zum Erfahrungsaustausch im Dom zu Halberstadt geben.

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