Polizeipräsenz und Dialog

Verfassungsschutzbericht beleuchtet linke, rechte und islamistische Gewalt

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl die Zahl der Rechtsextremisten in Berlin etwa gleich geblieben ist, sind 2016 aus ihren Reihen mehr Gewalttaten verübt worden. Das sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2016. Sowohl 2015 als auch 2016 rechnete der Verfassungsschutz 1450 Menschen dem Personenkreis zu. Gewaltbereit seien davon 2015 600 Menschen gewesen, 2016 waren es 700. Rechte Straftaten sanken laut Bericht von 1666 im Jahr 2015 auf 1588 im Jahr 2016. Vor allem Propagandadelikte nahmen ab (2015: 777 und 2016: 677). Die Zahl der Gewalttaten nahm von 143 auf 158 zu. Explizit nennt der Bericht auch die gestiegene Zahl von rechten Angriffen gegen Einrichtungen und Kraftfahrzeuge von Personen in Neukölln, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Seit Mai 2016 bis heute hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus 47 solcher Taten gezählt. Zuvor war es lange Zeit ruhig gewesen.

Fast gleich geblieben ist dem Verfassungsschutzbericht zufolge die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. 2015 waren es 45 Fälle, 2016 dann 44. Geisel sagte am Dienstag, die «dezidiert muslimenfeindliche Szene» dominiere mittlerweile die «Außenwirkung» der rechtsextremistischen Szene.

Die Zahl der vom Verfassungsschutz als Linksextremisten bezeichneten Personen hat dem Bericht zufolge von 2640 im Jahr 2015 auf 2790 zugenommen. Laut Geisel hatte vor allem der G20-Gipfel in Hamburg für Zuspruch in der Szene gesorgt, der seit August 2016 immer wieder für Rechtfertigung von Aktionen gedient habe. Die Zahl gewaltbereiter Linker nahm geringfügig von 940 auf 970 zu.

Aktivitätsschwerpunkt ist weiterhin die Rigaer Straße in Friedrichshain. «Politische Gegner, Politiker, Investoren und auch Anwohner werden dort unverhohlen bedroht», sagte Geisel. Viele Täter nähmen dort «Schwerverletzungen und Todesfolgen billigend in Kauf», zum Beispiel, indem sie Steine von Dächern werfen. Die Polizei vermeldete am Mittag, dass am Montag ein 22-Jähriger verhaftet worden sei, der in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni 2017 zunächst in der Rigaer Straße Polizisten angegriffen und später versucht habe, mit einem Laserpointer den Piloten eines Polizeihubschraubers zu treffen.

Geisel erklärte zum wiederholten Mal, dass die Rigaer Straße 94 nicht besetzt sei, weshalb man die Bewohner auch nicht rauswerfen könne. «Eine Kündigung ist nicht möglich.» Zudem seien die Bewohner nicht mit identifizierten Straftätern identisch. Geisel sprach von «Gewalttourismus». Um diesen einzudämmen, seien seit vier Wochen jede Nacht 20 Polizisten vor Ort.

Der Innensenator machte darauf aufmerksam, dass es in der Straße in den vergangenen vier Jahren einen «Austausch der Bevölkerung» gegeben habe, weil sich viele die Miete nicht mehr leisten könnten. Das sorge für Sympathien mit der Rigaer Straße 94. Deshalb sei es auch notwendig, das Gespräch mit friedlichen Anwohnern zu suchen. In Kürze werde die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) entsprechende Einladungen versenden. Geisel sei auch bereit, teilzunehmen, wenn die richtigen Leute am Tisch sitzen. «Mit Gewalttätern ist kein Dialog möglich.

Bezogen auf islamistischen Terror sagte der Innensenator: »Wahrscheinlich werden wir auch auf lange Sicht mit dem terroristischen Phänomen leben müssen.« Der Verfassungsschutz verzeichnet unter anderem einen höheren Zuspruch beim Salafismus. 2015 zählte er 680 Personen dazu, ein Jahr später 840, Tendenz steigend. Als gewaltorientiert gilt etwa die Hälfte.

Auch die Neuköllner Begegnungsstätte an der Dar-As-Salam-Moschee in Neukölln taucht wieder im Bericht auf. Geisel sagte am Dienstag: »Ein Nein zu Gewalt - und das formuliert sie sehr deutlich - bedeutet vielleicht kein Ja zur Demokratie.« Die Moschee hat aber auch Befürworter. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verlieh dem Imam 2015 für seinen Einsatz für Integration den Verdienstorden des Landes Berlin.

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