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Breites Bündnis mobilisiert gegen Heß-Marsch in Berlin

Neonazis wollen zum Todestag des Hitler-Stellvertreters am 19. August in Spandau aufmarschieren

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen den geplanten Aufmarsch von Rechtsextremisten am 19. August in Spandau ruft ein breites Bündnis von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften zu Gegenprotesten auf. Antirassistische Initiativen mobilisieren bereits seit mehreren Wochen vor allem in sozialen Medien. Auch LINKE, Grüne und SPD »mobilisieren auf allen Kanälen«, wie Sebastian Koch, Landesgeschäftsführer der Linkspartei, am Freitag sagte. »Wenn das eine große Demonstration wird, dann sollen möglichst viele Menschen dagegen auf die Straße gehen.«

500 Teilnehmer sind zur rechten Demonstration angemeldet. Anlass ist der 30. Todestag des Nazis Rudolf Heß. Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (mbr) geht von mindestens 1000 Teilnehmern aus. Der Hitler-Stellvertreter habe eine »hohe Symbolkraft« für Neonazis.

Heß hatte sich am 17. August 1987 mit 93 Jahren im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Spandau das Leben genommen. Er war 1946 in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Anlässlich seines Todestages waren Neonazis jahrelang an seinem Grab im bayerischen Wunsiedel, wo das Grab seiner Eltern war, aufmarschiert. Wegen seines NS-verharmlosenden Charakters wurde der geplante Aufmarsch 2005 erstmals verboten. In der sogenannten Wunsiedel-Entscheidung bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit des Verbots. Das Grab wurde 2011 aufgelöst.

Neonazis behaupten, Heß sei ermordet worden. Die Demonstration ist daher unter dem Motto »Mord verjährt nicht! Gebt die Akten frei - Recht statt Rache« angemeldet. Die mbr geht davon aus, dass im Aufruf bewusst kein Bezug auf das Wirken von Heß genommen wird, um keine Angriffsfläche für ein mögliches Verbot der Veranstaltung zu bieten.

Im Rahmen der Mobilisierung sind in den vergangenen Tagen an verschiedenen Orten in Berlin und Brandenburg gefälschte Fahndungsplakate aufgetaucht. Mit Logo und Schriftzug des Berliner Polizeipräsidenten werden Hinweise zu zwei »englischen Mördern« erbeten. Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres erklärte die Aushänge für eine Fälschung. Nach Medienberichten wurden in einige Plakate Glassplitter und Rasierklingen eingearbeitet, um das Entfernen zu erschweren.

Anmelder des Marsches ist nach Informationen des »Tagesspiegel« Christian Häger. Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus hält die Information für glaubwürdig. Häger ist Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Mittelrhein in Rheinland-Pfalz. Er soll zudem eine Führungsfigur des ehemaligen »Aktionsbüros Mittelrhein« gewesen sein, eine Vernetzungsplattform der militanten Freien Kameradschaften. Wegen dieser Aktivitäten stand er bis vor kurzem in Koblenz vor Gericht. Der Prozess zog sich fast fünf Jahre hin, bis er Ende Mai 2017 wegen überlanger Prozessdauer eingestellt wurde.

Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist*innen und Antifaschisten (VVN/BdA) forderte Anfang August das Verbot des geplanten rechtsextremen Aufmarschs am 19. August in Spandau. Eine Sprecherin der Innenverwaltung sagte dazu dem »nd«: »Wir lehnen rundherum ab, wofür am 19. 8. in Spandau auf die Straße gegangen werden soll. Jede Geschichtsklitterung von Rechts gegenüber der Vergangenheit ist ungehörig und wird von uns verurteilt.« Die Versammlungsfreiheit sei aber ein Grundrecht. »Klar für uns ist auf jeden Fall, dass durch entsprechende Auflagen jegliche Verherrlichung der Person Rudolf Heß und oder des Naziregimes untersagt und unterbunden wird.«

Gegen den Aufmarsch und für Gegenproteste mobilisieren bereits seit Wochen verschiedene Initiativen. Die Antifa Nordost veröffentlichte ein Video mit Aufnahmen von Rudolf Heß - unter anderem seinen Satz »Ich bereue nichts« aus den Nürnberger Prozessen -, Bildern von Nazi-Aufmärschen und Auschnitten aus dem Horrorfilm »Dead Snow«, in dem Köpfe von SS-Soldatenzombies mit Kettensägen abgetrennt werden. Der Kommentar dazu: »Tote haben nicht zu laufen!«.

Das Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin, in dem unter anderem mehrere Wohlfahrtsverbände, der DGB und der Landessportbund zusammengeschlossen sind, mobilisiert breit unter seinen Mitgliedern, an den Gegenprotesten ab 11 Uhr am Bahnhof Spandau teilzunehmen. Anmelder der Demonstration unter dem Motto »Keine Heldenverehrung von Nazikriegsverbrechern in Spandau und anderswo« ist die Spandauer Regionalgruppe der VVN/BdA.

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