TV-Duell-Fragen haben Tradition in deutschen Talkshows

SPD-Abgeordneter Bülow sieht einseitige Themenwahl bei Fernsehdebatte / Wähler machen ihrem Unmut auf Twitter und mit einer Petition Luft

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Einseitig, tendenziös und beeinflussend«. So hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow das TV-Duell zwischen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) von Sonntagabend bezeichnet. Er muss es wissen, denn der Abgeordnete aus Dortmund hat schon in der Vergangenheit empirisch die Überrepräsentation von Migrations- und Flüchtlingsthemen in deutschen Talkshows untersucht und gezeigt, dass soziale Gerechtigkeit bei »Maybrit Illner« oder »Maischberger« kaum vorkommt. Das gleiche hat Bülow nun auch mit dem TV-Duell gemacht. Er hat gezählt, wie viele Fragen zu welchen Themen die Moderatoren am Sonntagabend stellten. Die Bilanz: Es gab 17 Fragen zum Thema Migration und Islam, sieben zur Außenpolitik, sechs zu Terror und innerer Sicherheit und dann noch vier zum Thema »Diesel«.

Abgeschlagen auf dem vierten Platz folgte das Thema soziale Gerechtigkeit mit vier Fragen. Dass das Thema im Wahlkampf kaum eine Rolle spielt, liegt also auch an dem, was Bülow ironisch als »Spitzenjournalismus« bezeichnet. Themen wie Bildung, Klimawandel und Rüstung sowie Gesundheit und Pflege kamen überhaupt nicht vor, empört sich der SPD-Medienkritiker.

Bülow hat bereits in der Vergangenheit empirisch auf diese thematische Schieflage im deutschen Talkshow-Journalismus hingewiesen. In einer Zählung ermittelte der Politiker die Themen aller 204 bedeutenden deutschen Talkshow-Sendungen zwischen Oktober 2015 und März 2017. Das Ergebnis: Eine erdrückende Dominanz des Themas »Flüchtlinge« und »Terror« mit 52 bzw. 22 Sendungen. Armut und Ungleichheit wurden nur sechs Mal zum Thema gemacht.

Was das Fernsehduell am Sonntag angeht, ist der Dortmunder Abgeordnete nicht allein mit seiner Kritik. Unter dem Hashtag #fragendiefehlen machten Sonntagnacht Twitter-Nutzer ihrem Unmut über die Themenwahl durch die vier Moderatoren Luft. Unter den per Hashtag verbreiteten Fragen wollten Nutzer etwa wissen: »Frau Merkel, werden Sie in der nächsten Legislaturperiode endlich das Ende der Kohle einleiten?« oder »Herr Schulz, war die Agenda 2010 eine gute Idee?«

Immerhin 15.000 Unterschriften hat eine Petition auf change.org am Dienstagmorgen »Für ein zweites TV-Duell mit relevanten Themen, die Menschen wirklich betreffen« gesammelt. Deren Initiator Bastian Kenn schreibt auf der Plattform, die Sendung habe ihn »sehr enttäuscht«. Ihm reichten »fünf Minuten Gespräch zu sozialer Gerechtigkeit und Innenpolitik nicht«. Auch Moderator Peter Kloeppel konnte sich am Sonntagabend eine kritische Bemerkung bei der Abmoderation des »Fernsehduells« zwischen Angela Merkel und Martin Schulz nicht verkneifen: »Wir hätten nächste Woche noch Zeit für ein zweites Duell.« Doch das wird es nicht geben, hat Angela Merkel bereits klargemacht.

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