Wettstreit um Tegel-Hoheit

Gegner und Befürworter des Volksentscheids beharken sich mit Werbekampagnen

  • Felix von Rautenberg
  • Lesedauer: 4 Min.

In Pankow, Wedding und Reinickendorf ist es laut. Im Minutentakt fliegen die Flugzeuge über diese Stadtteile. »Wir haben es mit unserer Kampagne nicht einfach. Nur rund zehn bis fünfzehn Prozent der Berliner sind wirklich vom Fluglärm betroffen«, sagt der Abgeordnete Jörg Stroedter (SPD) am Montagabend im Rathaus Pankow.

Rund 200 Berliner sind in den gut gefüllten Ratssaal gekommen, um den Straßenwahlkampf zur Schließung des Flughafen Tegels einzuläuten. Bei der Veranstaltung stellte die vom Umweltverband BUND ins Leben gerufene Initiative »Tegel schließen. Zukunft öffnen«, ihre Werbematerialien für den Straßenwahlkampf vor. Mit Plakaten, Aufklebern und Informationsbroschüren sollen die Berliner dazu bewegt werden, am 24. September gegen die Offenhaltung des Flughafens zu stimmen.

Jörg Stroedter zufolge hat der Wahlkampf der Initiative, die sich neben dem BUND auch aus Kirchengemeinden, Vereinen, Gewerkschaften und Vertretern der SPD, der LINKEN und der Grünen zusammensetzt, bisher gute Ergebnisse erzielt: »Wir merken eine deutliche Bewegung. Laut der Forsa-Umfrage vom vergangenen Freitag würden nur einundfünfzig Prozent der Berliner für eine Offenhaltung Tegels stimmen. Im Mai waren es noch über siebzig Prozent«, sagt Stroedter.

Vor allem die FDP betreibt einen massiven Wahlkampf für die Offenhaltung des Flughafens. Dabei wird sie finanziell unter anderem von der Billigairline »Ryanair« unterstützt, der mit Plakaten großflächig für eine Offenhaltung Tegels wirbt.

Die FDP bisher nicht öffentlich gemacht, wie hoch genau der Spendenetat für ihre Kampagne ist, berichtet der Verein »Mehr Demokratie«. Landesvorstandssprecher Oliver Wiedmann sagte dem »nd«: »Die gesetzliche Transparenzregelung sieht vor, dass Informationen zu Spenden offengelegt werden müssen, wenn sich diese auf eine Höhe über 5000 Euro belaufen.« Im Fall der Ryanair-Plakate müsse jetzt geprüft werden, ob das durchs Abstimmungsgesetz gedeckt sei.

Unterdessen befeuert die FDP ihre Offenhaltungspläne mit dem Argument, der BER sei noch nicht fertig. Deshalb lohne es sich, rund zwei Milliarden Euro in die Instandhaltung Tegels zu investieren. Auch der Berliner CDU-Landesverband und die AfD wollen Tegel offenhalten.

Die Schließungsbefürworter halten nun dagegen: »Unsere Gegner knüpfen an die alte West-Berliner Nostalgie des Flughafen Tegels an und appellieren an die Bequemlichkeit der Leute, dass der Flughafen so schön nah ist«, kritisiert Stroedter. Dabei wisse jeder, der dort schon mal im Stau stand, dass der Flughafen nicht gut angebunden ist. BUND- Landesgeschäftsführer Tilmann Häuser, sagt: »Man muss sich einfach vorstellen, was man mit den zwei Milliarden Euro alles machen könnte.« Schließlich sollen mit einem Nachnutzungskonzept unter anderem 9000 Wohnungen geschaffen werden, darunter viele Sozialwohnungen.

Die Hauptstoßrichtung beschreibt Häuser so: »Vor allem der Lärm ist ein Argument gegen Tegel. Ein solcher Flughafen würde heute gar nicht mehr gebaut werden. Von der Luftverschmutzung in der Stadt mal ganz zu schweigen. Viele Menschen sind dadurch massiv gefährdet.«

Anders als die Tegel-Fans wollen die Schließungsbefürworter ihre Kampagne und ihren Wahlkampf dezentral gestalten. Die Mitstreiter aus der Initiative sollen die Leute, egal ob in ihrem privaten Umfeld oder eben auf der Straße, ansprechen, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Häuser. Die unmittelbaren Anwohner der Einflugschneise müssten nicht besonders überzeugt werden, hieß es. Es gehe vielmehr um die Stimmen aus anderen, nicht so stark vom Lärm betroffenen Bezirken. Das Argument: Berliner setzen sich solidarisch gemeinsam für eine Schließung Tegels ein. Im Pankower Ratssaal klappt das ganz gut, am Ende vernetzen sich die Anwesenden, tauschen Adressen und Broschüren aus.

Im Tegel-Wahlkampf setzt der rot-rot-grüne Senat auch auf einen Infobrief an über 1,2 Millionen Berliner Haushalte. Dieser kostet 430 000 Euro. Das wiederum passt dem Bündnis für die Offenhaltung des Flughafens Tegel gar nicht. Der Zusammenschluss kündigte an, juristisch mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gegen die Informationsbriefe des Senats vorzugehen. Der Antrag auf einstweilige Anordnung sei am Montagabend eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. In dem Antrag beklagt die maßgeblich von der FDP getragene Initiative mangelnde Chancengleichheit.

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