Polizei gibt Widerstand auf

Keine Sicherheitsbedenken mehr wegen Fußgängerdurchlass an Baustelle Rigaer Straße

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vollsperrung der Rigaer Straße in Friedrichshain soll durchlässiger werden, zumindest für Fußgänger. Das gab der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) am späten Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bekannt.

»Wegen des hohen öffentlichen Interesses für eine ungehinderte Fußgängerführung über die Baustelle beabsichtigen wir, die erteilte Sondernutzungserlaubnis zu widerrufen«, heißt es in dem Schreiben an die CG Gruppe sowie KW Development. Die beiden Immobilienunternehmen errichten derzeit auf den gegenüberliegenden Grundstücken Rigaer Straße 72-73 und 36-38 große Wohnungskomplexe. Das Bezirksamt habe jedoch festgestellt, dass bei dem Projekt »Carré Sama Riga« der CG Gruppe »nur Bauarbeiten im geringen Umfang« ausgeführt werden. Außerdem fehlten ein Grobablaufplan und ein Lageplan für Nutzungen des öffentlichen Straßenlands. »Die eingetretene Sachlage begründet keine komplette Vollsperrung«, lautet das Fazit. Nun haben die beiden Bauherren zwei Wochen Zeit, sich zu der Entscheidung zu äußern.

Zwei Umstände haben den Vorstoß des Bezirks möglich gemacht. Dank der Idee von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE), die Fußgängerquerung diagonal durch die Baustelle zu führen, konnten Bedenken ausgeräumt werden, dass Passanten von rangierenden Baufahrzeugen erfasst werden. Überraschenderweise hat auch der zuständige Polizeiabschnitt 51 keine Bedenken mehr, dass durch den Fußgängertunnel Beamte in einen Hinterhalt gelockt werden könnten. »Aufgrund diverser Angriffe in der Rigaer Straße auf Polizeibeamte und auf verschiedene Bauvorhaben ist diese Gefahr leider gegeben«, hieß es seitens der Polizei noch in der Begründung der Vollsperrung.

Die Bekanntgabe der Vollsperrung Ende Juli hatte für viel Protest bei Anwohnern gesorgt. SPD und Grüne im Bezirk schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wer die Maßnahme letztlich zu verantworten habe. Auch die Behandlung in der BVV ist eine Folge davon. Der SPD-Verordnete John Dahl hatte eine Große Anfrage zu dem Thema gestellt.

Letztlich sei die von der Bezirkspolitik unerwünschte Vollsperrung eine Folge dessen gewesen, dass zwar Fachämter und Bauherren eingebunden waren, aber nicht die Dezernenten. Vollsperrungen, die über drei Monate dauern, sollen künftig mit ihm besprochen werden, so eine neue Anordnung des Baustadtrats. »Man muss die Verwaltung anhalten, sich mit der politischen Ebene abzustimmen«, lautet Schmidts Lehre aus dem Vorgang.

Und wie reagieren die Anwohner? »Es ändert sich ja eigentlich nicht viel«, sagt Cordula Neuberg eher verhalten auf die Ankündigung. Die Wut richtet sich vor allem gegen die Bauprojekte an sich. Neuberg engagiert sich im vielfältigen Protest der Nachbarschaft gegen die Neubauten. Mit »Scheppern gegen CG«, mit Infoveranstaltungen und Kiezspaziergängen wehren sich die Anwohner »gegen die Investorenprojekte, die einkommensschwache Menschen vertreiben«.

Die SPD-Anfrage bringt auch etwas Licht in den verworrenen Genehmigungsprozess des »Carrés Sama Riga«. Am 5. Mai ist die Baugenehmigung in Kraft getreten, nachdem die Stadtentwicklungsverwaltung einem Widerspruch der CG Gruppe stattgegeben hatte. Der Bezirk hielt das Projekt nicht für genehmigungsfähig. »Die Stadtentwicklungsverwaltung vertrat eine andere Rechtsauffassung«, sagt Schmidt.

Tatsächlich gab es Überlegungen der Senatsschulverwaltung, eine zweizügige Grundschule auf dem Grundstück Rigaer Straße 72-73 zu errichten. Allerdings wurden die knapp 5000 Quadratmeter Fläche als »nicht ausreichend« angesehen. Damit hatten sich auch die angelaufenen Gespräche mit Stadtentwicklungsverwaltung und Berliner Immobilienmanagement über einen möglichen Grundstückstausch mit den Investoren erledigt. Das Vorhaben wurde von den Beteiligten als »kompliziert, aber nicht unmöglich«, erledigt.

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