Barsani erklärt Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter

Laut vorläufiger Auszählung stimmten 92 Prozent für Loslösung / Irak verlangt Kontrolle über Flughäfen und droht mit Sperrung des Luftraums

  • Lesedauer: 3 Min.

Erbil. Der Präsident der kurdischen Autonomieregierung in Nordirak hat den Sieg beim Unabhängigkeitsreferendum erklärt. Nach einem vorläufigen Ergebnis stimmten laut Wahlbeobachtern von Massud Barsanis Kurdischer Demokratischer Partei (KDP) rund 92 Prozent am Montag für ein unabhängiges Kurdistan und damit für die Loslösung von Irak.

Lesen Sie auch den aktuellen Report aus Erbil »Kurdischer Schritt ins Ungewisse« und den Kommentar »Kein Spielraum für Barsani«.

In einer Fernsehansprache rief Barsani die irakische Führung zum Dialog und zu Verhandlungen auf, wie die kurdische Nachrichtenseite Rudaw am Dienstagabend berichtete. Er forderte die Zentralregierung in Bagdad und die Nachbarländer auf, den Willen des kurdischen Volkes zu respektieren. »Wir sind in eine neue Phase eingetreten«, zitierte Rudaw den Kurden-Präsidenten.

Den Appell Barsanis an den irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi, jetzt in Verhandlungen mit den Kurden einzutreten, beantwortete Bagdad seinerseits mit einer ultimativen Drohung. Al-Abadi forderte die Kurden auf, binnen drei Tagen die Kontrolle der Flughäfen im Norden des Landes an die Zentralregierung zu übergeben. Sollte dies bis Freitag nicht geschehen, werde man den Luftraum sperren und keine Flüge mehr aus oder nach Nordirak zulassen.

Militärische Drohgebärden von Türkei und Irak

Die kurdische Abstimmung am Montag war von internationaler Kritik und Drohungen begleitet. Die irakische Zentralregierung in Bagdad hält das Referendum für verfassungswidrig. Auch die Türkei und der Iran sind strikt gegen einen unabhängigen Kurdenstaat und drohten mit militärischem Angriff.

Bereits kurz nach der Abstimmung hatten die türkische und die irakische Armee ein gemeinsames Militärmanöver begonnen. Die Übung finde in der Gegend des Grenzübergangs Habur statt, dem Übergang zwischen der Türkei und der Kurden-Region in Nordirak, teilte der irakische Generalstabschef Uthman al-Ghanami mit. Die türkische Armee hatte das Manöver bereits eine Woche zuvor begonnen.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Abstimmung als »Verrat« an seinem Land. Obwohl die Beziehungen zwischen der Regionalregierung in Erbil und der Türkei bisher gut gewesen seien, habe Barsani sein Land vor dem Referendum nicht um Rat gefragt, kritisierte Erdogan am Dienstag in Ankara.

Die Türkei unterhält zwar neben politischen auch enge wirtschaftliche Beziehungen zur Kurdenregion in Nordirak. Einen eigenen Kurdenstaat lehnt Ankara aber ab, weil er Unabhängigkeitsbestrebungen der kurdischen Minderheit in der Türkei befeuern würde.

Kritik aus Russland und Deutschland

Auch Russland äußerte sich nach der Durchführung des Referendums skeptisch. Die Wahrung der territorialen und politischen Einheit des Iraks sei extrem wichtig für die Stabilität und Sicherheit in der Region, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel zeigte sich ebenfalls besorgt, dass sich die Spannungen in der Region weiter verschärfen könnten. Der SPD-Politiker forderte die kurdische Regionalregierung und die Zentralregierung in Bagdad zum Dialog auf.

Deutschland lieferte der kurdischen Peschmerga-Armee für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Waffen - unter anderem 20.000 Gewehre und 1000 Panzerabwehr-Raketen. Zudem sind immer noch 160 deutsche Soldaten zur Ausbildung der kurdischen Soldaten im Nordirak stationiert. dpa/nd

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