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»Wir haben nur einen Stürmer«

Trainer Michael Skibbe will Griechenland in den Playoffs gegen Kroatien zur Fußball-WM 2018 führen

  • Andreas Morbach, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Leben als griechischer Nationaltrainer kann sehr angenehm sein, Michael Skibbe bekommt das gerade zu spüren. Am Dienstagvormittag schwamm der 52-Jährige noch bei sich zu Hause vorm Strand des Athener Nobelvororts Glyfada im Meer, nun feilt er im nahe gelegenen Trainingszentrum des Fußballverbandes in Agios Kosmas weiter an einem kleinen Coup. An diesem Donnerstag tritt Griechenland zum Hinspiel in den WM-Playoffs in Kroatien an. Zwei Jahre, nachdem der Sensationseuropameister von 2004 zur Lachnummer des Kontinents verkommen war.

Tabellenletzter in der Qualifikation zur EM in Frankreich, unter anderem mit zwei Niederlagen gegen die Färöer, dabei drei Trainer verschlissen: Dieser Job glich einem Himmelfahrtskommando, der auserwählte Wiederbeleber aus Gelsenkirchen sah die Sache aber positiv. »Dass die Griechen zu dem Zeitpunkt so weit unten waren, hat die Aufgabe eher vereinfacht. Es konnte ja nur aufwärts gehen«, sagt Skibbe im Gespräch mit »nd«.

Als größtes Problem erwies sich das wacklige Miteinander. Skibbe wurde gleich beim Premierenspiel damit konfrontiert, so dass der frühere Bundesligatrainer von Dortmund, Leverkusen, Frankfurt und Berlin nach dem 0:1 in Luxemburg donnerte: »Wer keine Lust auf Teamgeist hat, fliegt raus.« Seit seinem Amtsantritt tauschte Skibbe fast die halbe Mannschaft aus, integrierte viele jüngere Spieler wie den Leverkusener Panagiotis Retsos (19) oder den - aktuell verletzten - Anastasios Donis (21) vom VfB Stuttgart.

Zum Prunkstück auf dem Weg in die Playoffs avancierte einmal mehr die Abwehr. Der Portugiese Fernando Santos, der die Hellenen 2014 ins WM-Achtelfinale geführt hatte, bezeichnete die Defensive mal als »die DNA der Griechen«. Schon Otto Rehhagel erbaute den EM-Triumph vor 13 Jahren auf einem eisernen Verteidigungsriegel - mit dem eigenwilligen Kollegen tauschte sich Skibbe daher über dessen Erfahrungen aus. Allerdings, so betont er, erst einige Monate nach seinem Einstieg in Griechenland.

»Am Rande eines Spiels in Leverkusen sagte mir Otto Rehhagel, wie er den Verband damals vorgefunden, welche Dinge er umgestellt hat. Das habe ich in meine Überlegungen einfließen lassen«, erzählt der jetzige Trainer, der mit 22 Sportinvalide wurde, sehr früh als Juniorentrainer beim FC Schalke einstieg - und nun nebenher die Nachwuchsarbeit im griechischen Fußball weiterentwickeln soll. »Ähnlich wie wir das ab 2000 in Deutschland gemacht haben«, erwähnt Skibbe, der jedoch als Teil einer Trainerdoppelspitze samt Rudi Völler mit der DFB-Auswahl 2004 in der EM-Vorrunde kläglich gescheitert war.

In seinem jetzigen Vertrag ist festgelegt, dass er mindestens neun Monate im Jahr in Griechenland zubringen muss, mit Arbeitsschwerpunkt auf der A-Nationalmannschaft. Deren Torbilanz aus der WM-Qualifikation (17:6) spricht Bände - und aus seinem defensiven Grundansatz macht Skibbe auch kein Hehl. »Wir haben eine Handvoll sehr guter Innenverteidiger, mit Konstantinos Mitroglou aber nur einen einzigen international konkurrenzfähigen Stürmer. Das zeigt die Gewichtung der Qualitäten im griechischen Fußball«, erwähnt er trocken.

Für zusätzliche Ernüchterung sorgte die Zwangspause für Topverteidiger Konstantinos Manolas vom AS Rom, dem der Weltverband FIFA bei seiner Gelbsperre im vorletzten Qualifikationsspiel Vorsatz unterstellte - und ihn nach dem finalen Gruppenspiel gegen Gibraltar nun auch noch für eine zweite Partie sperrte - ausgerechnet das Playoff-Hinspiel in Kroatien.

»Was die FIFA gemacht hat, war nicht richtig. Vier Wochen später bestraft sie Manolas für etwas, was jeder Fußballer tut«, klagte Skibbe über die erschwerten Bedingungen gegen die offensivstarken und favorisierten Kroaten, sagt aber zugleich: »Gegen bessere Gegner kommen wir oft eher an unser mannschaftliches Limit. Deshalb wäre es für mich auch keine absolute Megasensation, wenn wir es zur WM schaffen.«

Gelingt das, verlängert sich sein Vertrag bis zur Endrunde im nächsten Jahr. Und wenn nicht? »Es kann sein, dass ich auch dann weitermache. Der Verband ist jedenfalls daran interessiert«, berichtet Michael Skibbe, schwärmt von seinem »guten, netten Trainerteam« und genießt noch ein wenig sein aktuelles Lebensgefühl ins Griechenland: »Herrliches Wetter, tolles Land, tolle Menschen. Das macht Riesenspaß. Ich fühl’ mich sehr wohl hier - und würde in der Tat gerne bleiben.«

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