Eskalation in Afghanistan

Die USA verändern ihre Militärdoktrin / So viele Bombenangriffe wie zuletzt 2012

  • Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem Washington bereits vor Wochen angekündigt hat, wieder mehr US-Truppen nach Afghanistan schicken zu wollen, zieht nun die NATO nach. Mindestens 3000 weitere Soldaten sollen in Afghanistan stationiert werden. Genaue Details sind allerdings unklar - genauso wie die Gesamtzahl der Bewaffneten, die dann am Hindukusch stationiert sein werden.

Gegenwärtig befinden sich mindestens 11 000 US-Soldaten im Land. Diese Zahl ist seit Kurzem bekannt. Lange hatte die US-Administration behauptet, dass nur 8000 Soldaten in im Land am Hindukusch im Einsatz seien. Nach der Afghanistan-Rede von US-Präsident Donald Trump im August hieß es, dass 4000 weitere US-Soldaten in den Krieg geschickt werden würden. Gleichzeitig machte die US-Administration deutlich, dass sie in Zukunft keine Zahlen bezüglich ihrer im Ausland stationierten Truppen mehr veröffentlichen werde.

Diese Entwicklung ist kaum verwunderlich. Seit der Übernahme von Trump gibt es im Weißen Haus auch einen Kampf gegen jegliche Transparenz. Dass die NATO, die von Washington dominiert wird, hiervon ebenfalls betroffen ist, war offensichtlich. Seit Beginn der Trump-Ära wird dies auch in Afghanistan deutlich, wo seit Januar über 2500 Luftangriffe stattgefunden haben. Im September wurden so viele Bomben über Afghanistan abgeworfen wie zuletzt 2012, als noch knapp 80 000 US-Soldaten im Land waren. Hinzu kommt der Abwurf der elf Tonnen schweren Superbombe, der »Massive Ordnance Air Blast«, der im April erfolgte. Bei der sogenannten »Mutter aller Bomben« handelte es sich um die größte nichtatomare Bombe des US-Militärs. Wen und wieviele sie getötet hat, ist bis heute unklar. Während die afghanische Regierung damals, wie gewohnt, von angeblichen Kämpfern des Islamischen Staates sprach, hielt sich das Pentagon mit jeglichen Angaben zurück.

In vielen Fällen ist allerdings auch die US-Doktrin nach solchen Angriffen bekannt. Als vor einigen Tagen in der nordafghanischen Provinz Kundus abermals Dörfer von US-Kampfjets und Drohnen massiv bombardiert und Zivilisten getötet wurden - die Rede ist von einem Dutzend bis hin zu sechzig Opfern - hieß es seitens der US-Streitkräfte, dass die Ziele ausschließlich Talibankämpfer gewesen seien. Zu diesem Ergebnis sei eine »Untersuchung« gekommen. Chardara, den betroffenen Distrikt in Kundus, hatte allerdings niemand aufgesucht, vor allem kein Angehöriger des US-Militärs. Außerdem ist seit 2012 bekannt, dass für das Weiße Haus folgender Grundsatz gilt: Jede männliche Person im wehrfähigen Alter, die sich im Umfeld eines Luftangriffs befindet, gilt per se als »feindlicher Kombattant«. Laut dieser Doktrin sind fast alle männlichen Afghanen, auch Minderjährige, »Terroristen«, deren Tötung erlaubt ist.

Ob gewollt oder ungewollt, unter US-Führung hat sich auch die NATO diese Doktrin schon längst zu eigen gemacht. Aus diesem Grund ist es weniger interessant, was NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Krieg in Afghanistan zu sagen hat. Wegweisend werden die Worte von Trump sein.

Der US-Präsident meinte bereits im August, dass der »Aufbau von Staaten« (»nation building«) nun endgültig vom Tisch sei. Stattdessen geht es ab jetzt es um die »Tötung von Terroristen«. Vor Ort war die Eskalation schon spürbar, bevor Trumps Worte vor der Weltöffentlichkeit fielen. In der Provinz Nangarhar nahmen die US-Luftangriffe zu wie nirgendwo anders - und zeitgleich die Anzahl ziviler Opfer. »Für die sind wird doch sowieso alle nur Terroristen«, so die gängige Meinung in den Dörfern Afghanistans.

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