Fahrradlobby fordert Fortschritte

Mobilitätsgesetz kommt frühestens zu Ostern / Radwegeplaner fehlen weiterhin

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Zelten und Konserven wollen die Aktivisten vom Volksentscheid Fahrrad die Suche nach bezirklichen Radwegeplanern beschleunigen. Sie rufen für Donnerstag dazu auf, diese vor das Rote Rathaus zu bringen. Mit diesen Spenden sollen künftigen Planerinnen und Planern »zusätzlich Verpflegung und Unterkunft« geboten werden. Denn von den bewilligten 24 zusätzlichen Stellen - zwei pro Bezirk - ist nach Informationen des Teams »Entwicklungshilfe Volksentscheid Fahrrad« erst ein Drittel besetzt. Geschaffen wurden die Stellen bereits im März mit Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2017.

Beim Radentscheid führt man die Besetzungsprobleme auf die vergleichsweise niedrige Bezahlung zurück. Knapp 3100 Euro erhalten Berufseinsteiger für den Ingenieursjob in den Bezirken entsprechend der Tarifgruppe 11 des Tarifvertrags. In den Senatsverwaltungen, die ebenfalls mit Besetzungsproblemen zu kämpfen haben, beträgt das Einstiegsgehalt in der maßgeblichen Tarifgruppe 13 bereits über 3500 Euro. Die privatrechtlich organisierte Infra Velo GmbH, ebenfalls ein Landesbetrieb, kann sogar noch mehr zahlen.

»Die Einstellungsverfahren in den Bezirken sind generell sehr schwerfällig«, gibt Stefan Gelbhaar, Radverkehrsexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu bedenken. 13 Verfahrensschritte und etwa ein halbes Jahr Zeit benötige dafür beispielsweise Pankow. Der Politiker hält eine grundsätzliche Beschleunigung der Prozesse für notwendig.

Auch die Planungsprozesse müssen dringend gestrafft werden. »Im Schnitt dauert es bisher dreieinhalb Jahre vom Beschluss bis zur Realisierung eines aufgemalten Radstreifens«, sagt Peter Feldkamp vom Radentscheid.

Ungeduldig warten alle Radlobbyisten jedoch auf die Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes. 609 Einwendungen gab es nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs durch Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) im August. Der Großteil waren kleine redaktionelle Änderungen, zwei Punkte waren jedoch umfassender. Einerseits ging es um eine Ausweitung des neuen Verbandsklagerechts in Verkehrssicherheitsfragen, das in einer strikten Auslegung des Gesetzestextes (»unmotorisiert«) nur dem Fußgängerverband zugestanden hätte. Andererseits ging es um den postulierten Vorrang des sogenannten Umweltverbundes aus Fußgängern, Radlern und öffentlichem Personennahverkehr vor dem Autoverkehr.

Der Fahrradclub ADFC wandte sich am Sonntag in einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Beklagt wird dort, dass er sich nicht öffentlich zum Mobilitätsgesetz äußere. »Stattdessen beschwerten Sie sich öffentlich, als vor Ihrer Haustür Parkplätze für die Sicherheit von Radfahrenden entfielen«, heißt es in dem Schreiben. »Wir haben bisher keine Reaktion auf den Offenen Brief erhalten«, sagt ADFC-Sprecher Nikolas Linck.

Beim ADFC sorgt man sich, dass es im sogenannten Mitzeichnungsverfahren, bei dem alle betroffenen Senatsverwaltungen und die Bezirke ihre Einwände zum Gesetz einbringen können, die Ziele der Verkehrswende verwässert werden könnten.

In Koalitionskreisen geht man allerdings nicht davon aus. Einerseits hatten die Verwaltungen und Bezirke bereits vorab die Gelegenheit, Bedenken zu äußern. Und auch wenn Müller intern nicht als großer Fan des Gesetzes gilt, habe er seine Unterschrift unter den Koalitionsvertrag gesetzt, der letztlich die Gesetzesziele vorwegnimmt.

Ursprünglich sollte das Mobilitätsgesetz bis Jahresende verabschiedet werden. Nach momentaner Planung soll der Senat das Gesetz am 12. Dezember beschließen, im Abgeordnetenhaus wäre es dann spätestens im Februar 2018. Wenn es dort schnell geht, könnte es bis Ostern endgültig verabschiedet sein. »Das Gesetz wird ein Vorbild und ein juristischer Steinbruch für Städte in ganz Deutschland«, sagt Gelbhaar. Von daher sollte man für die gute Formulierung lieber etwas mehr Zeit investieren.

Und doch bewegt sich bereits ohne Gesetz etwas. Für die Karl-Marx-Straße und den Kottbusser Damm sind bereits Radwege beschlossen. Im Frühjahr sollen auf der Südseite der Hasenheide sogar die Bauarbeiten für einen abgepollerten breiten Radweg starten. Er wird grün statt bisher rot sein. Wie die Hoffnung.

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