Neuwahlen wären für die AfD ein Risiko

Warum die Rechtsaußenpartei Probleme bei einer Bundestagswahl 2018 bekommen könnte

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Jörg Meuthen ist am Tag nach Bekanntwerden der gescheiterten Jamaika-Sondierung kaum zu bremsen. Euphorisch verkündet der AfD-Chef via Facebook um 4.36 Uhr morgens die aus seiner Sicht »hocherfreuliche Botschaft«: »Das Jamaika-Experiment ist gescheitert, bevor es überhaupt angefangen hat.«

Die eigentliche Pointe seiner frühmorgendlichen Jubelarie folgt erst vier Absätze später. »Es war nämlich unser fulminanter Wahlerfolg, der den Sondierern im Nacken saß«, behauptet Meuthen. Er meint sogar, die AfD habe »offenbar gedanklich bei einigen mit am Verhandlungstisch« gesessen.

Auch wenn in dieser Botschaft eine gehörige Portion erwartbarer rechter Folklore steckt – völlig falsch ist Meuthens Behauptung nicht. Insbesondere die FDP unter ihrer One-Man-Show Christian Lindner hatte bereits im Bundestagswahlkampf einen deutlichen Rechtsschwenk vollzogen, der sich auch in den Sondierungsgesprächen mit Union und Grünen wiederholt zeigte, insbesondere beim Thema Asylpolitik. So sollen es die Liberalen gewesen sein, die sich vehement gegen die Wiedereinführung des Familiennachzugs für subsidär Schutzberechtigte ab März 2018 gestellt hatten, während in der Frage sogar CSU-Chef Horst Seehofer zunächst Gesprächsbereitschaft signalisiert haben soll. Doch dann habe Seehofer gesagt, er könne die CSU nicht »rechts von der FDP« überholen lassen. In der Ecke haben die Christsozialen bei der anstehenden bayerischen Landtagswahl 2018 ohnehin bereits Konkurrenz in Form der AfD.

Die Rechtsaußenpartei betont derweilen ihre Gelassenheit auch gegenüber einer möglichen Neuwahl des Bundestags. Unisono verlautbaren die wichtigen Funktionäre: Neuwahlen? Die könnten ruhig kommen! Beinahe staatstragend gab sich Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg, indem er am Montag ein vergiftetes und zugleich nicht wirklich ernst gemeintes Angebot Richtung Union und FDP abgab. Der Rechtsaußen könne sich die Tolerierung einer schwarz-gelben Minderheitsregierung vorstellen. Vorrausgesetzt diese Regierung käme ohne Angela Merkel aus. Dass die Offerte von der Union nicht eine Sekunde diskutiert würde, dürfte Poggenburg klar gewesen sein.

Offiziell lautet die AfD-Erzählung ohnehin: Bei einer Neuwahl könne die AfD nur gewinnen und ihre 12,6 Prozent vom vergangenen September noch steigern. Oberflächlich gesehen spricht einiges dafür. In fast allen Umfragen, die freilich noch vor dem Scheitern von Jamaika durchgeführt wurden, lag die Rechtsaußenpartei stabil zwischen 12 und 13 Prozent. Dabei hat die Partei stürmische Wochen hinter sich, nicht zuletzt durch den Abgang von Ex-Parteichefin Frauke Petry. Dass es danach zu keinem nennenswerten Exodus aus der Partei kam, dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass Anfang Dezember in Hannover auf dem Bundesparteitag ein neuer Vorstand gewählt wird. Viel hängt davon ab, ob sich die völkischen Nationalisten um Björn Höcke endgültig mit ihrem Kurs einer Fundamentalopposition durchsetzen und ob verbliebene Anhänger des Petry-Kurses, etwa aus den Reihen der »Alternativen Mitte«, endgültig jeglichen Einfluss verlieren. Als Ziel hat die »Alternative Mitte« herausgegeben, Höcke als mögliches Bundesvorstandsmitglied zu verhindern.

Eigentlich wird erwartet, dass es auf dem Parteitag in Hannover zur endgültigen Richtungsentscheidung kommt. Doch durch das Damoklesschwert Neuwahl wird sich die AfD-Führung genau überlegen, ob sie es auf eine finale Eskalation ankommen lässt oder der möglicherweise anstehende Wahlkampf die Fronten zumindest oberflächlich noch einmal kittet. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Jeder noch so heftige Streit oder Eklat innerhalb der AfD schlug sich bisher nicht in den Umfragen nieder.

Schwer genug wird es für die Rechtsaußenpartei auch so: Denn selbst wenn es ihr die WählerInnen nicht übel nehmen, dass sich die Partei zu gerne öffentlich zerfleischt, führen die Machtkämpfe zu ganz realen, organisatorischen Problemen. Im Fall einer Neuwahl müsste die AfD innerhalb von wenigen Monaten (wie die anderen Parteien auch) neue Landeslisten aufstellen. In der Vergangenheit zog sich dieser Prozess bei den Rechten wiederholt in die Länge, wegen Unstimmigkeiten bei der Aufstellung der Delegierten musste die Partei um ihre NRW-Landesliste zittern. Im Saarland wurden die Rechten sogar vom Landgericht dazu verdonnert, ihre Kandidaten erneut aufzustellen. Doch dieses Mal wäre die Zeit für mögliche juristische Streitereien noch knapper bemessen.

Und wäre dies alles nicht schon genug, müsste sich die AfD möglicherweise mit Konkurrenz aus ihren ehemals eigenen Reihen herumschlagen. Ob Petrys Projekt »Blaue Wende« bei einer Bundestagswahl 2018 in allen 16 Bundesländern eine nennenswerte Zahl an Unterstützern und Landesverbänden zur Verfügung stehen, ist unklar. Sicher ist aber: Tritt Petrys Partei an, dürfte sie ihren Wahlkampf als vermeintliche Alternative zur Alternative führen. Letztlich würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für einen Einzug ins Parlament reichen, aber der AfD die eine oder andere Stimme kosten.

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