Teilglobalisierte Rüstungsindustrie

Der deutsche Marineschiffbau ist stark zentralisiert - und exportabhängig

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist noch gar nicht lange her, da hielten sich die großen Länder nationale Rüstungsindustrien. Schon aus strategischen Gründen wollte man im Ernstfall nicht von Importen abhängig sein. Mittlerweile geht es in dieser Branche durchaus globalisiert zu. Gerade bei technisch ausgeklügelten Produkten muss im Ausland bestellt werden. Allerdings ist es durchaus üblich, dass auch dann ein erheblicher Teil der Produktion von Schiffen, Flugzeugen oder Waffen im Bestellerland stattfindet.

So ist es auch bei einem Großauftrag, den Deutschlands größte Rüstungswerft vor wenigen Tagen an Land gezogen hat. Die Bremer Fr. Lürssen KG baut ab Mitte 2018 zwölf Patrouillenboote für die australische Marine. Der Deal hat einen Wert von umgerechnet rund 2,6 Milliarden Euro. Die ersten der bis zu 80 Meter langen, mit Raketen ausrüstbaren »Offshore Patrol Vessels« (OPV), auf denen sogar Hubschrauber landen können, sollen 2021 geliefert werden. Wie bei der Vergabe des weltgrößten U-Boot-Auftrages über 35 Milliarden Euro an den französischen Konzern DCNS erwartet die konservative Regierung, dass ein Großteil der Wertschöpfung im eigenen Land stattfindet. »Von austra-lischen Arbeitern auf australischen Werften mit australischem Stahl«, warb Premier Malcolm Turnbull um die Zustimmung seiner Landsleute.

So hat sich Lürssen offenbar bereiterklären müssen, den Bau der Stahlrümpfe und die Endfertigung in zwei Werften in Adelaide und Perth durchzuführen. Im Süden Australiens sollen bis zu 1000 neue Arbeitsplätze entstehen. Doch »die gesamten Fertigungsleistungen werden unter Führung von Lürssen erbracht«, versicherte Peter Lürßen, der zusammen mit seinem Vetter Friedrich die Gruppe führt, dem »Weser-Kurier«. Mit Konstruktion, Bauleitung und Steuerung der Fertigung dürfte mehr als die Hälfte der Wertschöpfung in Bremen liegen.

Das Familienunternehmen von der Weser hat in Deutschlands maritimer Rüstungswirtschaft das bisherige »Gravitationszentrum« Hamburg faktisch übernommen. 2016 kaufte Lürssen die Traditionswerft Blohm+Voss. Da gehörte ihm in Hamburg schon die Norderwerft, ebenfalls im Geschäft mit der grauen Marine tätig. Im vorpommerschen Wolgast betreibt Lürssen mit der Peene-Werft seit 2013 eine moderne Reparatur- und Servicewerft, die vor allem von Behörden- und Marineschiffen angelaufen wird.

Die Bundeswehr zeigt sich mit der Zentralisierung um Lürssen (und ThyssenKrupp im U-Boot-Bau) durchaus zufrieden. »Das Produktportfolio der deutschen Marineschiffbauindustrie richtet sich maßgeblich am Bedarf der Deutschen Marine aus«, schreibt die Admiralität in ihrem kürzlich erschienenen Jahresbericht. Trotz aller Schwierigkeiten und Konflikte mit der Indus- trie in den vergangenen Jahren lobt der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, die »Qualität und Lebensdauer« seiner Schiffe.

Die Werftindustrie ist derweil mit einem umfassenden Modernisierungsprogramm für die graue Marine beschäftigt. Auch ostdeutsche Werften und Zulieferer profitieren davon. 2016 wurde mit U36 das modernste konventionelle U-Boot der Welt in die Flotte übernommen. Das Typschiff »Baden-Württemberg« der vier hochmodernen Fregatten F125 befindet sich nach einigen Verzögerungen in der See-Erprobung. Der Bundestag gab noch kurz vor der Wahl im September grünes Licht für die Beschaffung von fünf Korvetten der Klasse K130, die weltweit operieren können. Ebenfalls für sechs neuartige Mehrzweckkampfschiffe stehen im Haushalt 3,5 Milliarden Euro bereit. Zwei weitere U-Boote sollen der Marine bald aus einer Kooperation mit Norwegen zulaufen. Bewegung ist in weitere Beschaffungsvorhaben gekommen: Tanker für den globalen Einsatz, Kampfboote für amphibische Operationen und Minenjagdboote für die Ostsee.

Doch die Aufträge der Deutschen Marine können Lürssen, Thyssen-Krupp Marine Systems und andere Schiffbauer allein nicht über Wasser halten. Die Exportquote von über 70 Prozent belegt die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Der Entscheidung in Australien ging ein zweijähriges Bewertungsverfahren mehrerer Anbieter und ihrer Entwürfe voraus. Politisch könnte der Auftrag für Lürssen noch heikel werden. Australien pflegt einen rigiden Umgang mit Migranten. Drittländer wie Papua-Neuguinea bezahlt die Regierung dafür, Flüchtlinge aufzunehmen, die über das Meer unerlaubt in Australien einreisen wollten. Dazu lässt die Regierung Boote von der Küstenwache auf See abfangen.

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