Nuklearmächte bleiben Nobelpreisverleihung in Oslo fern

Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen wird am Sonntag ausgezeichnet / Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow nimmt Ehrung entgegen

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch die diesjährige Verleihung des Friedensnobelpreises findet unter Protest statt. »Wir möchten unsere Vorbehalte in Bezug auf das ICAN-Projekt, also das Atomwaffenverbot und den in New York ausgehandelten UN-Vertrag, deutlich machen«, sagte eine Sprecherin der französischen Botschaft dem norwegischen Rundfunk. Neben dem Botschafter Frankreichs werden die Botschafter Großbritanniens und der USA der Zeremonie fernbleiben; von den Atommächten werden nur die Botschafter Russlands und Israels an der Zeremonie am Sonntag teilnehmen, wenn die Direktorin Beatrice Fihn und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow den Preis entgegennehmen.

Der Protest der Atommächte ist nicht verwunderlich. Schließlich würdigte das Nobelkomitee die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) für »ihre bahnbrechenden Bemühungen«, ein Verbot nuklearer Waffen zu erreichen. Im Juli dieses Jahres war es soweit: Die Vereinten Nationen haben den Kernwaffenverbotsvertrag angenommen, im September unterzeichneten ihn 53 Staaten. Als erstes Parlament hat nun Mexiko den Vertrag ratifiziert. Sobald 49 weitere Staaten folgen, tritt er 90 Tage später in Kraft.

Für Xanthe Hall von den Internationalen Ärzten zur Verhütung eines Atomkriegs, die Teil von ICAN sind, ein großer Erfolg: »Die Abschaffung von Atomwaffen schien lange nicht möglich, weil die Atomstaaten dazu unwillig waren und sogar angefangen haben, ihre Waffen zu modernisieren.« Erst deshalb sei man auf die Idee gekommen, über die UN-Mitgliedsstaaten die Waffen erst ächten und dann verbieten zu lassen.

ICAN sieht nun den Druck auf die Atomwaffenstaaten steigen: Denn selbst ohne Teilnahme am Vertrag wird das Verbot starken Einfluss auf viele Länder haben. Der Verbotsvertrag diskreditiert den Besitz von Atomwaffen und setzt Normen gegen diese. Wie bei der Ächtung biologischer und chemischer Waffen, dessen Verbotsvertrag immer noch nicht alle Staaten beigetreten sind, soll der Vertrag nukleare Waffen delegitimieren. Außer Nordkorea halten alle Staaten am Atomteststoppvertrag fest, obwohl dieser nie in Kraft getreten ist.

Hall ist sich sicher, dass der Friedensnobelpreis ICAN Auftrieb gibt: Die gewonnene Aufmerksamkeit möchte die Kampagne nutzen, um den Druck auf die Verbündeten der Atommächte aufzubauen, dem Vertrag beizutreten. »Deutschland kommt dabei eine Schlüsselrolle zu«, aber auch Norwegen und die Niederlande als NATO-Mitglieder sollen dazu gedrängt werden, dem Vertrag beizutreten - beides Länder, in denen die Bevölkerung das Anliegen unterstützt.

Auch in Deutschland will eine Mehrheit die Abschaffung aller nuklearer Waffen. ICAN Deutschland kritisiert deshalb auch »die Doppelmoral der deutschen Politik, die nach außen hin sagt, eine Atomwaffenfreie Welt zu wollen, aber dem Vertrag nicht beitreten will.« Hall erinnert daran, dass in Deutschland einst über alle Parteien hinweg der Konsens herrschte, dass deutsche Außenpolitik immer auch Abrüstungspolitik sei. Dass Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) dem Vertrag nicht beitreten will, obwohl es in der SPD eine große Befürwortung gibt, könne zum einen an dem Druck der USA liegen, zum anderen aber auch daran, dass damit die Stationierung der in Büchel in Rheinland-Pfalz stationierten 20 US-amerikanischen Atomwaffen illegal wäre.

In Deutschland erhält die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen derweil Zulauf. Vor allem junge Menschen möchten sich engagieren, so dass ICAN mit Camps und mit Hochschulnetzwerken eine neue Generation aufbaut, die sich für Abrüstung und Frieden einsetzt. Ein weiterer Schwerpunkt setzt ICAN in der Aufklärungsarbeit an Schulen. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde dort die Aufklärung über die Gefahren von Atomwaffen immer weiter vernachlässigt. Dabei ist das Risiko eines Atomkrieges weiterhin hoch.

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