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Globale Bewegungsfreiheit ist ein Menschenrecht

Fotoausstellung im nd-Gebäude und Podiumsdiskussion werfen Schlaglichter auf Migration von Amerika bis Europa

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Migration gibt es seit Menschengedenken. In Deutschland erregt das Thema erst seit der Nicht-Grenzschließung im Herbst 2015 die Gemüter breiterer Schichten und in der Politik. In den USA ist Migration schon viel länger ein heißes Thema, das durch den Amtsantritt von Präsident Donald Trump und seine fragwürdigen Mauerbaupläne neuen Konfliktstoff erhält. Trump gibt vor, damit die illegale Einwanderung und den Drogenschmuggel stoppen zu wollen. In den USA leben Schätzungen zufolge rund elf Millionen Migranten ohne Aufenthaltsberechtigung. Etwa die Hälfte sind Mexikaner. Dass der Drogenschmuggel größtenteils nicht über die grüne Grenze verläuft, sondern die heiße Ware in Autos über reguläre Grenzübergänge oder versteckt in Containern über Häfen in die USA geschmuggelt wird, dürfte Trump genauso wissen wie, dass die Zahl der an der US-Grenze aufgegriffenen illegalen Einwanderer zuletzt so niedrig war wie seit Anfang der 1970er Jahre nicht mehr. Trumps Hang zu alternativen Fakten ist nicht neu.

Der US-amerikanische Aktivist und Fotograf David Bacon verfolgt und unterstützt den Kampf der Migrant*innen aus Lateinamerika für ihre Rechte seit Langem. Seine noch bis zum 22. Januar im nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz laufende Ausstellung zeigt eine Auswahl seiner besten Fotos von den Lebensumständen der Migranten und ihrem Kampf gegen Mauern und für Gerechtigkeit.

Die Ausstellungseröffnung am 4. Dezember wurde ergänzt durch eine Podiumsdiskussion im Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) über das Thema »Migration ohne Mauern und Kämpfe für globale soziale Gerechtigkeit. Für das Recht zu migrieren und zu bleiben«. Über diese Zielsetzung waren sich die drei Diskutanten David Bacon, der costa-ricanische Migrationsforscher Carlos Sandoval und die Referentin für Internationale Politik und soziale Bewegungen der RLS, Stefanie Kron, einig.

Über die Wege dahin gibt es keine Kontroversen, jedoch unterschiedliche Ansätze: David Bacon forderte eine Klassenanalyse, in der die Migranten als soziale Akteure zu betrachten seien und in der die Beziehungen zwischen Migranten und Nichtmigranten in ihrer Gesamtheit analysiert werden müssten. Denn für Bacon ist Migration nicht weniger als ein Systemmerkmal des Kapitalismus und wichtig für dessen Entwicklung. Auch unter Trump habe sich am Bedarf der US-Wirtschaft an billiger migrantischer Arbeitskraft nichts geändert, 200.000 Farmarbeiter und 900 000 Vertragsarbeiter pro Jahrweisen allein die offiziellen Statistiken aus. Hoffnung auf gesellschaftlichen Wandel schöpft Bacon aus dem breiten Bündnis aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, das sich gegen Trumps Politik wehrt und von dem die Linke nur ein Teil sei.

Carlos Sandoval ging der Frage nach, warum sich die Rechte das Thema Migration weltweit auf die Fahnen geschrieben hat: Die Rechte mache sich das Unbehagen über die mit der Globalisierung einhergehende Denationalisierung der Wirtschaft zunutze, ob Brexit, Trump, Orbán, Le Pen oder Indiens Premier Modi. Der erste Politiker dieser Couleur war aus Sicht von Sandoval Jörg Haider 1999 in Österreich. Und schon davor hätte der Kulturwissenschaftler Stuart Hall 1979 anhand des Thatcherismus in Großbritannien den Begriff des autoritären Populismus etabliert. Er baut auf der wirtschaftlichen und moralischen Krise ebenso auf, wie auf der Krise der politischen Repräsentation. Neu sei indes, dass sich mehr rechte Parteien denn je in den Parlamenten tummeln und Fremden- sowie Islamfeindlichkeit hoffähig machten. Insbesondere der konstruierte Zusammenhang zwischen Migration und Terrorismus und manchmal Drogenhandel sei in diesem Kontext von großer Bedeutung. Die Herausforderung für die Linke sei, zwischen einheimischen Arbeitern und Migranten solidarische, transversale Beziehungen von unten zu entwickeln, entlang des gesunden Menschenverstands à la Antonio Gramsci.

Wie so etwas aussehen kann, illustrierte Stefanie Kron am Beispiel der Willkommens- oder Zufluchtsstädte, zu denen in Deutschland zum Beispiel Berlin, Frankfurt und Hannover gehören. Sie seien zwar keineswegs frei von Widersprüchen und Konflikten, auch innerhalb der Bündnisse, die sie erkämpfen und in konkrete Politiken umsetzen. »Sie zeigen aber, dass globale Bewegungsfreiheit und globale soziale Bürgerschaft keine utopischen Forderungen bilden«, so Kron. Diese Städte sind quasi Etappen auf dem Weg zu einer Migration ohne Mauern und globaler sozialer Gerechtigkeit. Dieser Weg wird ohne Umverteilung von oben nach unten nicht friedvoll beschritten werden können.

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