CO2-Abgabe für die Umwelt

In den Sondierungsverhandlungen könnte es auch um neue Mittel der Klimapolitik gehen

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Wort hat es wohl schon jetzt in die noch nicht gestarteten Sondierungsgespräche um eine neue Große Koalition geschafft: der CO2-Preis. In einem dieser Zeitung vorliegenden Papier aus SPD-Kreisen wird genau so einer gefordert: Es müssten ein »klar definiertes CO2-Steuerungselement eingeführt und die Abgaben auf fossile Energieträger entsprechend erhöht« werden, heißt es in dem Dokument. Sein Titel: »Von der Stromwende zur Energiewende. Ein ökonomisch und ökologisch erfolgreiches Projekt der 19. Legislaturperiode«.

Das entspricht sicher dem Zeitgeist: Die CO2-Bepreisung hat Hochkonjunktur, seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Thema zum Weltklimagipfel in Bonn groß auf die Agenda gesetzt hat. Das neue Papier ist aber ein kleines Mysterium: Wo genau es herkommt, ist unklar.

In Abgeordnetenkreisen heißt es, das Dokument stamme aus dem Bundeswirtschaftsministerium, was dieses allerdings auf Anfrage des »nd« nicht bestätigt. Mittlerweile haben mehrere SPD-Spitzenpolitiker öffentlich bestritten, von dem Papier zu wissen. Da aber jeder der 14 inhaltlichen Punkte eine kleine Zusammenfassung enthält, die mit »KoaV« betitelt ist, ist anzunehmen, dass das Papier für die Koalitionsverhandlungen vorbereitet wurde.

Bisher gibt es verschiedene ökologisch motivierte Steuern und Abgaben in Deutschland - allerdings auf Produkte wie Strom, Benzin und Diesel, nicht auf das Treibhausgas Kohlendioxid an sich. Welche Nachteile das haben kann, zeigt die Stromsteuer, die die SPD - traut man dem neuen Papier - im Gegenzug zum neuen CO2-Preis senken möchte.

Als Rot-Grün die Stromsteuer 1999 ins Leben rief, war Strom ein klimaschädliches Produkt, er stammte fast vollständig aus Kohle- und Atomkraftwerken. Mittlerweile liegt die erneuerbare Erzeugung immerhin bei etwa einem Drittel, aber Strom unterliegt immer noch der Stromsteuer. Deren Höhe hängt nicht davon ab, wie klimafreundlich oder -schädlich der Strom erzeugt wurde.

Auch auf Heizöl oder Autokraftstoffe ist eine Abgabe fällig, nämlich die Energiesteuer. Allerdings bekommt der Diesel dabei starke Rabatte gegenüber dem Benzin - ohne klimafreundlicher zu sein.

Ein CO2-Preis könnte dagegen für alle Sektoren gleichermaßen gelten. Durch gleichzeitiges Stellen mehrerer Schrauben - etwa auch die Abschaffung der Industrierabatte bei der EEG-Umlage - soll der Wechsel »haushaltsneutral« und ohne Mehrbelastung für die Verbraucher erfolgen. Heizen und Tanken würde etwas teurer, Strom etwas billiger.

In der deutschen Parteienlandschaft wäre die SPD, wenn sie denn tatsächlich mit den Forderungen in die Gespräche geht, nicht allein: Auch die LINKE will die Stromsteuer senken, die momentan zwei Cent am Kilowattstundenpreis von etwa 29 Cent ausmacht. Grüne und FDP wollen sie sogar ganz abschaffen - allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Während die Liberalen sie ersatzlos streichen wollen, was sich bei ihrer eher geringen Höhe ganz besonders für industrielle Großkunden lohnen würde, sind die Grünen schon mit der Forderung nach einem sektorübergreifenden CO2-Preis in den Wahlkampf gezogen.

Ob die Forderung in den Gesprächen zwischen Union und SPD bestehen könnte, steht wieder auf einem anderen Blatt. CDU und CSU berufen sich bislang regelmäßig auf den europäischen Emissionshandel als ausschließliches und angeblich bestes Mittel für klimafreundliche Preissignale - obwohl der europäische Marktplatz für Treibhausgaszertifikate seit Jahren nicht richtig läuft und außerdem in Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäuden gar nicht greift.

Andererseits: In den Sondierungsgesprächen zu einer »Jamaika«-Koalition mit FDP und Grünen hatte auch die Union bereits eingewilligt, eine neue »sektorenübergreifende und aufkommensneutrale« Energiesteuer zumindest zu prüfen, die sich am CO2-Gehalt bemisst.

Zudem verraten die Autoren des SPD-Papiers nicht, wie sie sich ihren CO2-Preis genau vorstellen. Unklar ist beispielsweise, ob es einen Mindestpreis pro Tonne geben soll.

Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) findet, dass der Vorstoß »grundsätzlich in die richtige Richtung geht«, da Strom heute viel stärker belastet sei als Heizen und Tanken. Ihr zufolge verkennen die Autoren des Papiers aber trotzdem, woran es bei der Energiewende wirklich hakt. »Es wäre besonders wichtig, den Kohleausstieg heute einzuleiten.« Das böse Wort mit dem K taucht in dem Papier aber nicht auf.

Letzteres kritisiert auch Annalena Baerbock, klimapolitische Sprecherin der Grünen. »Auch wenn noch nicht vollständig geklärt ist, welche Teile der SPD hinter dem 14-Punkte-Papier zur Energiepolitik stehen, so zeigen die Inhalte doch eines sehr klar: Bei der SPD bleibt in der Energiepolitik der Klimaschutz noch größtenteils außen vor«, meint die Bundestagsabgeordnete. »Es fehlen konkrete Maßnahmen und ein klares Bekenntnis zum Kohleausstieg genauso wie konkrete Vorschläge zum schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.«

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