Ein Investor ist kein Häuslebauer

Güteverhandlung zwischen Arbeiter der Mall of Berlin und Bauherr endete ohne Einigung

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Von draußen dringt Baulärm in den Sitzungssaal. Als Teilnehmer der Gerichtsverhandlung die Fenster öffnen, wird es so laut, dass kaum ein Wort mehr zu verstehen ist. Trotz Frischluftmangels werden sie wieder geschlossen. Die Richterin scherzt: »Wir sind im Fach.« Bei der Güteverhandlung im Berliner Arbeitsgericht geht es am Dienstag um eine Klage eines der rumänischen Bauarbeiter, die 2014 auf der Baustelle der Mall of Berlin am Potsdamer Platz um ihren Lohn geprellt wurden. Nuculae Hurmuz klagt gegen die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG, hinter der der Shoppincenter-Baukönig Harald Huth steht, auf die Nachzahlung von 4800 Euro.

Es ist eine kurze Verhandlung: Die Anwälte von Kläger und Beklagtem sitzen kaum, da ist schon wieder alles vorbei - gütlich einigen wollen sie sich nicht. Nur wenige Minuten später halten die Anwälte bereits das Sitzungsprotokoll in der Hand.

Der Grund für die Kürze liegt in der Zukunft: In einer Woche, am 25. Januar, steht die Hauptverhandlung in einem »Parallelverfahren« an, wie es die Richterin nennt. Dort wird die Klage von Ovidiu Mandrila behandelt, auch er einer der rund 50 rumänischen Arbeiter, die vor dreieinhalb Jahren auf der Baustelle der Mall of Berlin zu wenig Lohn erhalten haben sollen. Zehn Arbeiter zogen mit Unterstützung der Basisgewerkschaft FAU vor Gericht. Sieben von ihnen gewannen die Prozesse. Die Richter urteilten, die Subunternehmen, die sie beschäftigt hatten, müssten das Geld nachzahlen. Das haben sie aber bis heute nicht getan: Eines der Unternehmen meldete Insolvenz an, das andere konnte nicht haftbar gemacht werden: Alle Firmenvertreter sind abgetaucht.

Die Arbeiter wollten sich daraufhin an den Bauherrn wenden. Im Dezember 2016 standen sich daher erstmals einer der Arbeiter, nämlich Mandrila, und ein Anwalt der HGHI vor Gericht gegenüber. In der damaligen Güteverhandlung konnte keine Einigung erzielt werden. Bei der Hauptverhandlung im Mai 2017 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Mandrila ging in Berufung und steht am 25. Januar vor dem Landesarbeitsgericht.

Sein Anwalt Klaus Stähle spricht von einem »Pilotverfahren«. Das Gericht soll darüber entscheiden, ob die HGHI als Bauherrin für nicht gezahlte Löhne haftbar gemacht werden kann. Bisher sah die Rechtsprechung vor, bei ausbleibenden Zahlungen im Baugewerbe lediglich die Subunternehmen oder den Generalunternehmer haftbar zu machen. Allerdings ging es bei diesen Prozessen um Einfamilienhäuser. »Ich bezweifele, dass die HGHI geschützt werden muss wie ein Häuslebauer«, sagt Stähle. »Ich hoffe, dass die Richterin das genauso sieht.« Für Mandrila geht es um knapp 5400 Euro. Für die HGHI, bekannt für den Bau einer Reihe von Einkaufszentren, ist das wahrscheinlich wenig Geld. Das Urteil ist für sie trotzdem relevant: Es kann einen Präzedenzfall schaffen. Wenn Mandrila vor Gericht recht bekommt, dann will auch Hurmuz in die nächste Instanz gehen.

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