Biblische Gewächse am Wutzsee

In Lindow entsteht mit dem »Garten des Buches« eine interreligiöse Begegnungsstätte

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Lindow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist ein verträumtes Städtchen. Eingebettet in den Naturpark Stechlin-Ruppiner Land, dürfte Lindow vor allem ruhesuchenden Großstädtern und naturliebenden Joggingfreunden, die die acht Kilometer um den angrenzenden Wutzsee auf sich nehmen wollen, ein Begriff sein. Dem ein oder anderen kulturgeschichtlich Interessierten fällt bei dem Namen Lindow sicherlich auch die Ruine des um 1230 errichteten Zisterzienserinnenklosters ein, die im Ort zu besichtigen ist.

Bald schon dürfte es deutlich mehr Besucher als bisher an den Wutzsee ziehen. In Lindow entsteht derzeit ein in der Region bislang einmaliges Projekt: Auf dem historischen Klostergelände hinter der Ruine ist der »Garten des Buches« als Ort der interreligiösen Begegnung in Planung.

Horst Borgmann, Vorsitzender des Stiftkapitels Kloster Lindow, berichtet, worum es dabei geht: »In unserem Garten wollen wir Pflanzen gedeihen lassen, die gleichermaßen in der Bibel, der Tora und dem Koran erwähnt werden.« Schilder mit Versen aus den drei heiligen Büchern sollen Pflanzen wie Mandel, Apfel oder Zeder in ihren jeweiligen religiösen Kontexten erklären.

»Alle drei Buchreligionen sollen sich in diesem Garten der gemeinsamen Dialogs willkommen und zu Hause fühlen«, sagt Borgmann. Immerhin würden sich doch alle drei Religionen auf Gründervater Abraham berufen. »Wir haben so viel gemeinsam. Aber in den aktuell aufgeheizten Debatten werden immer nur Gegensätze heraufbeschworen«, sagt der 75-jährige evangelische Theologe.

Der gebürtig aus Dresden stammende Borgmann, der seine Kindheit und Jugend in Lindow verbrachte und inzwischen in Berlin wohnt, hatte die Idee für den Begegnungsgarten. Das Stiftskapitel fand das Projekt klasse und tat sich sogleich nach Finanzierungsmöglichkeiten um. Auch in der Stadtverwaltung von Lindow schätzt man Borgmanns Engagement.

Inzwischen sind 175 000 Euro zusammengekommen. Damit steht der Garten in unmittelbarer Nähe zum Ufer des Wutzsees auf soliden Füßen. Der Löwenanteil der Finanzierung stammt aus Mitteln eines Programms der Europäischen Union zur Förderung strukturschwacher ländlicher Räume. »In Berlin und Brandenburg brauchen wir viel mehr Austausch zwischen den Religionen. Bislang passiert hier eindeutig zu wenig«, meint Borgmann. In Berlin entstehe zwar mit dem »House of One« eine überaus symbolträchtige und wichtige interreligiöse Begegnungsstätte. Ihn störe bei dem Projekt aber die Tatsache, dass Christen, Juden und Muslime zukünftig unter einem Dach beten sollen, Kirche, Synagoge und Moschee aber dennoch in getrennten Bereichen des Gebäudes untergebracht sein sollen, erläutert er. »In unserem Garten sind alle drei Religionen zusammen und gleichberechtigt vertreten.«

Es habe ihn sehr gefreut, dass zum ersten Spatenstich im vergangenen Sommer neben dem Potsdamer Rabbiner Nachum Presman auch ein Vertreter der muslimischen Gemeinde dabei war. »Ich hoffe, dass Juden, Muslime und Christen in diesem Garten gut zusammenleben können«, hatte Rabbiner Presman damals gesagt. Wenn alles nach Plan läuft, kann im Februar mit der Rodung der Bäume auf dem Areal begonnen werden. Ab Herbst soll es dann mit der Bepflanzung losgehen. Anfang 2019 soll der »Garten des Buches« seine Pforten für Besucher öffnen.

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