Schüler nach Gruppenarbeit im Rollstuhl

Bundessozialgericht befasste sich mit einem schwerwiegenden Unfall bei einem Schulprojekt

  • Lesedauer: 2 Min.

In dem Streitfall ging es um die alles entscheidende Frage, ob Schüler bei Projektarbeiten außerhalb der Schule und damit nach Unterrichtsschluss gesetzlich unfallversichert sind.

Beim Videodreh geschubst: folgenschwerer Sturz

Der Hintergrund des Rechtsstreites: Seit seinem folgenschweren Unfall bei einem Schulprojekt sitzt Jochen Knoop im Rollstuhl. Doch die gesetzliche Versicherung der Schule weigerte sich, für die gesundheitlichen Folgen zu zahlen.

Schüler sind bei Projektarbeiten außerhalb der Schule auch nach Unterrichtsschluss gesetzlich unfallversichert. Das entschied das Bundessozialgericht in Kassel (Az. B2 U 8/16 R). Mit diesem Urteil gab das Gericht dem 20-jährigen Jochen Knoop aus Steinheim (Baden-Württemberg) Recht. Die Landesunfallkasse Baden-Württemberg muss nun für die Sturzfolgen aufkommen.

Knoop war 2013 nach einem Videodreh für die Schule schwer gestürzt. Er war von einem Mitschüler geschubst worden. Der Sturz auf den Kopf veränderte sein Leben: Er sitzt seitdem im Rollstuhl. Nach Koma und Operationen besucht er eine Schule für Körperbehinderte und braucht Therapie sowie Hilfe im Alltag.

Zentrale Frage: Hausaufgabe oder Fortsetzung der Schule?

Seit fünf Jahren kämpfen der heute 20-Jährige und seine Familie um die Anerkennung des Unfalls durch die Landesunfallkasse. Nach der erfolgreichen Klage Knoops vor dem Landessozialgericht Stuttgart legte die Unfallkasse der Schule Revision ein.

Nun ging es vor dem Bundessozialgericht um die zentrale Frage: Handelte es sich bei dem Videodreh um eine Hausaufgabe oder die »Fortsetzung der Schule mit anderen Mitteln?«, so der Vorsitzende Richter in Kassel.

Denn Hausaufgaben liegen im privaten Bereich und sind unversichert. Darauf verwiesen auch die Vertreter der Unfallkasse. Versicherungsschutz gelte nur, wenn die Schule Einfluss auf das Projekt habe und das Risiko für die Jugendlichen mindern könne. Doch Zeit und Ort des Projekts seien freigestellt worden - damit sei keine Aufsicht durch Lehrer möglich gewesen.

Mit klassischen Hausaufgaben am Schreibtisch habe der Videodreh demzufolge nichts zu tun gehabt, argumentierte Knoops Rechtsanwalt Michael Umbach. Der Junge habe sich zudem der Projektarbeit nicht entziehen können.

Dieser Rechtsauffassung folgte auch das Bundessozialgericht: Es sei keine Hausaufgabe, wenn Lehrer Schülergruppen aus pädagogischen oder organisatorischen Gründen zusammenstellten und mit einer Aufgabe betrauten, die sie selbst lösen sollen. In diesem Fall finde Schulbesuch in dem Moment und an dem Ort statt, wenn sich die Jugendlichen treffen, urteilten die Richter des höchsten deutschen Sozialgerichts. Damit sei Jochen Knoop im Moment des Unfalls versichert gewesen, als er den Videodreh verließ und sich auf den Heimweg machte, so das Gericht. dpa/nd

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