Mit Sensor ruhig durch die Nacht

Moderne Technologien können zu einer besseren Lebensqualität von Diabetikern beitragen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

In Deutschland leiden derzeit fast sieben Millionen Menschen unter einer Form von Diabetes, im Volksmund auch Zuckerkrankheit genannt - und in jedem Jahr kommt eine halbe Million neuer Fälle dazu. Allzu oft ist der Fokus der Ärzte allerdings nur auf alltagstaugliche Diagnostik und das passende Medikament gerichtet. Die Forschung fragt außerdem nach Präventionsmaßnahmen, nicht nur für die Erkrankung selbst, sondern auch wegen der Komplikationen, die bei Diabetes mellitus besonders schwerwiegend sein können. Sie reichen von Erblinden über Nierenversagen bis zum sogenannten diabetischen Fuß, der oft zur Amputation führt.

Oft vergessen wird dabei aber die Lebensqualität der Betroffenen. In der Forschung wird sie bei der Durchführung von Studien vor allem deshalb wenig berücksichtigt, weil die Auswirkungen der Krankheit auf den Alltag sehr individuell und schwieriger zu quantifizieren sind. Der Internist und Diabetologe Dirk Müller-Wieland vom Klinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen nennt hierfür einige Beispiele: »Die Angst vor unbemerkter Unterzuckerung, Furcht um den Führerschein, bei Älteren um die soziale Unabhängigkeit.« Müller-Wieland, der Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft ist, fordert, dass die vielfältigen Ausprägungen des Patientenwohls methodisch besser erfasst und in die Therapieentscheidungen einbezogen werden. Zunächst müsste es eine Entscheidung für bestimmte Symptome geben,deren Verbesserung man dann genauer erfasst.

Als zweite, anspruchsvollere Aufgabe bleibt die Erfassung der genannten Ängste und Sorgen. Während es bei der Nutzenbewertung von Medikamenten vor allem um Verbesserungen bei der Sterblichkeit oder der Schwere der Erkrankung geht, wird weniger auf die Verringerung der individuellen Gesundheitslast geschaut. Müller-Wieland sieht für dieses Kriterium aber auch eine Bringschuld der forschenden Pharmahersteller, die es stärker als bisher in ihre Studien einbeziehen müssten.

Wie sich die Sorgen und Ängste auf den Alltag einer betroffenen Familie auswirken können, schilderte Björn Andresen. Bei dessen inzwischen 12-jährigem Sohn wurde im Alter von zweieinhalb Jahren Diabetes Typ 1 festgestellt. In diesem Fall brachten moderne Technologien eine große Erleichterung ins Alltagsleben. Ein Sensor am Arm des Jungen hilft dabei, die Zuckerwerte rund um die Uhr zu kontrollieren. Lesbar sind die Werte über eine Smartphone-App. Damit konnte das Kind zum Beispiel schon an einem Fußballtrainingslager teilnehmen, ohne dass die Eltern dauernd in der Nähe sein mussten.

Auf der vorhergehenden technologischen Stufe war es noch nötig, den Blutzucker immer wieder in einem Blutstropfen zu messen. »Das bedeutet aber große Messlücken, nächtliche Schwankungen werden nicht abgebildet. Die richtige Deutung der Werte verlangt viel Erfahrung. In Kita und Schule ist das eigentlich nur mit eigens ausgebildetem Personal möglich,« erklärt Andresen. Die Messung mit dem Sensor unter der Haut erfolgt kontinuierlich alle drei Minuten, die Ergebnisse können als Kurve abgebildet werden. Außerdem gebe es auch Interpretationshilfen, die Reaktionen auf den Verlauf würden so treffsicherer.

Mit solchen Hilfsmitteln ist die technische Entwicklung aber nochlängst nicht abgeschlossen. Bereits auf dem Markt sind Systeme, mit denen die Insulinpumpe sich auch automatisch abschalten lässt. Damit sind nächtliche Blutzuckerschwankungen ohne Schlafstörungen per Technik zu regeln. Für Familien wie die von Björn Andresen würde der Einsatz dieser Geräte es ermöglichen, die medizinische Betreuung ihres Sohnes noch einfacher an Ungeübte zu übertragen. Kurz vor der Zulassung in den Vereinigten Staaten stehen zudem Systeme, die völlig selbsttätig den Blutzucker korrigieren. In Deutschland sind zumindest die auch von Andresens Sohn benutzten Sensoren inzwischen eine Leistung, die die Krankenkassen übernehmen.

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