Kristina Vogel mit elf WM-Titeln Spitze

Die Erfurterin fuhr bei Bahnradsport-WM zu zweimal Gold / Zum Abschluss siegen Roger Kluge/Theo Reinhardt

  • Thomas Juschus, Apeldoorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Kristina Vogel ließ ihren Emotionen freien Lauf. Mit Tränen im Gesicht setzte sich die Erfurterin mit deutscher Flagge um die Schultern auf die Holzpiste. Später beim Interview-Marathon hatte die jetzt elfmalige Weltmeisterin erneut feuchte Augen: »Diese Medaille widme ich Jochen Wilhelm. Ohne ihn würde ich hier nicht stehen«, sagte Vogel nach dem Einzel-Sprintfinale mit stockender Stimme. Der »Sprintprofessor« starb im vergangenen Jahr. Er gilt als Entdecker und erster Förderer Vogels.

Die kleine, starke Sprinterin, sonst schon mal Partybiest, ließ es nach dem elften WM-Titel ihrer Karriere erstaunlich ruhig angehen. »Es hat mich alles gekostet, diese Goldmedaille zu gewinnen. Es war sehr, sehr hart«, sagte die 27-Jährige. Im Finale von Apeldoorn musste sie erst den Ansturm aus dem eigenen Lager abwehren und dann in einer Neuauflage des WM-Finales 2017 die Australierin Stephanie Morton mit 2:1 niederringen. »Kristina hat da noch einmal alles in die Waagschale geworfen - wie immer, wenn es brenzlig wird«, sagte Bundestrainer Detlef Uibel.

Mit dem Sieg im Sprint - Vogel ist damit seit dem WM-Halbfinale 2016 ungeschlagen - schloss sie zur Aus-tralierin Anna Meares auf, die ebenfalls zwei Olympiasiege und elf WM-Titel in ihrer Vita hat. Niemand sonst hat mehr erreicht. »Daran denke ich aber jetzt nicht. Das muss noch sacken, dann schicke ich der Anna eine kleine Nachricht«, sagte Vogel.

Sie hatte am Sonntag die Chance, Meares sogar zu überholen. Denn im Keirin trat Vogel als Titelverteidigerin an. Doch sie verpasste mit Platz sechs das dritte Gold im dritten Rennen klar. Es gewann die Vorjahresdritte Nicky Degrendele aus Belgien.

Miriam Welte, seit Jahren im Schatten von Vogel, gelang wie 2014 in Cali das Double mit Gold in Teamsprint und 500-Meter-Zeitfahren. Damit gelang der 31-jährigen aus Kaiserslautern das gleiche Kunststück wie vor vier Jahren in Cali. Am vorletzten WM-Tag entthronte Welte mit 33,150 Sekunden die Titelverteidigerin Daria Shmeleva aus Russland (33,237).

»Ich habe mich nach den Olympischen Spielen von Rio 2016 vom Druck befreit, fahre nur noch aus Spaß, habe schon alles erreicht«, sagte Welte nach dem WM-Rennen. In Apeldoorn erwischte die jetzt auch schon sechsfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin von 2012 einen perfekten Lauf. »Ich wusste, dass meine Form gut ist. Die Zeit ist phänomenal«, freute sich die Pfälzerin und gönnte sich ein Bier im Mannschaftshotel.

Während das Erfolgsduo wie gewünscht lieferte, kamen Gold im Teamsprint und Platz drei im Sprint für die Magdeburgerin Pauline Grabosch überraschend. »Pauline hat ein tolles Grundniveau. Technisch-taktisch braucht sie aber noch Zeit«, sagte Detlef Uibel, der seinen Youngster im Keirin schonte.

Neben den Sprinterinnen überzeugte im Kurzzeitbereich der Cottbuser Maximilian Levy mit Bronze im Keirin und Platz vier im Sprint. Levy verpasste damit zwar seine zweite Medaille, durfte aber dennoch mit seinem vierten Platz im Sprint zufrieden sein. »Alte Diesel sollte man nicht abschaffen«, scherzte der 30-Jährige, für den die »Holzmedaille« in der Königsdisziplin das beste WM-Ergebnis seiner Karriere bedeutete. Im kleinen Finale unterlag Levy dem Europameister Sebastian Vigier aus Frankreich mit 0:2. Weltmeister wurde Matthew Glaetzer aus Australien.

Am WM-Schlusstag gab es noch einmal Gold für die deutsche Mannschaft. Roger Kluge und Theo Reinhardt gewannen das olympischen Zweier-Mannschaftsfahren. Das Duo aus Eisenhüttenstadt und Berlin siegte nach 50 km und 200 Runden mit 53 Punkten. Die auch Madison genannte Disziplin gehört nach längerer Pause 2020 in Tokio wieder zum olympischen Programm.

Zuvor gab es am Sonntag noch zwei fünfte Platze durch den Cottbuser Eric Engler im 1000-Meter-Zeitfahren und die Berlinerin Charlotte Becker im Punktefahren..

Der Bund Deutscher Radfahrer beendete die Titelkämpfe mit dem Sieg von Kluge/Reinhardt, dem Sprint-Gold und -Bronze für Vogel und Grabosch sowie dem Keirin-Bronze für Levy mit sechs Medaillen (4 x Gold, 2 x Bronze) als zweitbeste Nation hinter den Niederlanden. dpa/nd

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