Gipfel gegen Geflüchtete

Bei EU-Türkei-Treffen werden Menschenrechte kaum Thema sein

  • Mathias Fiedler
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Anfang des Jahres hat Bulgarien die Ratspräsidentschaft inne und organisiert das am Montag bevorstehende Treffen zwischen EU und Türkei. Teilnehmen werden unter anderen EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wie auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Bereits im Vorfeld wurde von der EU-Kommission mitgeteilt, dass erneut drei Milliarden Euro freigegeben werden, die an die Türkei fließen sollen, da die alte Tranche von drei Milliarden Euro aus dem Deal von 2016 aufgebraucht sei. Der Europäische Rechnungshof kritisierte generell Finanzhilfen der EU an die Türkei, da diese nicht in ausreichendem Maß an Bedingungen geknüpft seien und die EU-Kommission nicht genug in die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, der Pressefreiheit und der Zivilgesellschaft investiert habe.

Fragwürdig bleibt die Zusammenarbeit mit der Türkei auch, da diese immer weniger einen sicheren Ort für Geflüchtete darzustellen scheint. Ebenso wie die EU Möglichkeiten sucht, illegale Migration zu verhindern, schottet sich auch die Türkei ab. Die Politik der offenen Tür gegenüber Menschen aus Syrien gibt es nicht mehr. Mittlerweile deckt eine Betonmauer größere Teile der Grenze zu Syrien ab und erst am 22. März veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) Erkenntnisse, nach denen seit Dezember 2017 Hunderte Geflüchtete an der türkisch-syrischen Grenze aufgehalten. Auch Todesfälle soll es gegeben haben. Viele Menschen seien nach der Rückschiebung aus der Türkei ins syrische Idlib verbracht worden. Hami Aksoy, ein Sprecher des türkischen Außenministeriums, ließ bereits am 9. März verlauten, dass die Türkei in absehbarer Zeit neun Camps in Syrien für Geflüchtete innerhalb des Bereichs der bis zum 29. März 2017 geführten Militäroperation Schutzschild Euphrat und dem Gouvernement Idlib mit einer Kapazität von 170.000 Plätzen errichten würde.

Im vergangenen Dezember hatten die türkischen Behörden verlauten lassen, 2017 genau 20.014 Menschen davon abgehalten zu haben, Bulgarien und Griechenland auf dem Landweg zu betreten. Im gleichen Zeitraum sanken die Zahlen der registrierten Asylsuchenden in Bulgarien laut Eurostat um 82 Prozent. Kamen im Jahr 2016 noch 19.418 Menschen in den bulgarischen Aufnahmezentren für Asylsuchende an, so waren es im Jahr 2017 nur mehr 3700. An der Grenze zur Türkei unterstützt die Grenzschutzagentur Frontex die bulgarische Grenzpolizei, der von Menschenrechtsorganisationen immer wieder Gewalt und die Durchführung von Rückschiebungen vorgeworfen wird. Solche Rückführungen finden jedoch bereits auf türkischem Boden statt. Die bulgarische Grenzpolizei informiert dabei die türkische Seite, die dann die Menschen auf der Flucht im Grenzgebiet verhaften. Der Antrag auf Asyl in Bulgarien wird dadurch verhindert.

Auch bei der Behandlung von Geflüchteten innerhalb der eigenen Landesgrenzen bekleckert sich Bulgarien nicht mit Ruhm. Im Januar 2018 entschied das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, dass in Bulgarien anerkannte Geflüchtete nicht mehr dorthin zurückgeschickt werden sollen, da ihnen Obdachlosigkeit und Verelendung drohen. Bereits einen Monat vorher war Bulgarien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 aufgrund von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung einer irakischen Familie mit drei Kindern in Haft verurteilt worden. Zudem sprach das bulgarische Helsinki Committee (BHC) in seinem im Februar 2018 veröffentlichten Bericht von einem Zustand der »Null-Integration« in Bezug auf Asylsuchende in Bulgarien.

Seitdem Bulgarien die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ging es hauptsächlich um den Schutz der EU-Außengrenzen. Dies wird sich vermutlich nicht ändern, wenn Mitte des Jahres Österreich den Vorsitz übernimmt, dessen Kanzler sich gerne als der Stein des Anstoßes zur Schließung der so genannten Balkanroute verkauft.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal