Gasparitsch

Kalenderblatt

  • Ulrich Schneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Er wurde durch das sozialistische Elternhaus, die Naturfreunde, den Arbeitersport und die Roten Falken geprägt. Hier kam Hans Gasparitsch, geboren am 30. März 1918 in Stuttgart, auch in Kontakt zu sozialkritischer Literatur, noch bevor er eine Lehre als Schriftsetzer machte. Im Herbst 1933 bildete er mit Freunden seiner Wandergruppe die «Gruppe G» (Gemeinschaft). Die Jugendlichen hielten konspirative Treffen ab, diskutierten, wie man Widerstand gegen die Hitlerdiktatur leisten könne, verteilten Flugblätter und malten Parolen an die Wände.

Bei einer Aktion im Frühjahr 1935 schrieb der 17-jährige Hans «Hitler = Krieg» und «Rot Front» an die Sockel zweier Statuen im Stuttgarter Schlossgarten und wurde kurz danach verhaftet. Das Urteil lautete auf zweieinhalb Jahre Gefängnis. Nach seiner Haft auf dem Oberen Kuhberg in Ulm kam er - weil «das Strafziel nicht erreicht war» - in die KZ Welzheim, Dachau, Flossenbürg und Buchenwald.

Die Solidarität der politischen Häftlinge ermöglichte ihm das Überleben und machte ihn zu einem Kommunisten. Am 11. April 1945 war er an der Selbstbefreiung Buchenwalds beteiligt; am 19. April leistete er mit anderen Überlebenden den «Schwur von Buchenwald», dem er sein ganzes Leben verpflichtet blieb. Zurück in Stuttgart engagierte er sich für den Aufbau eines neuen antifaschistischen Deutschlands. 1947 gehörte er zu den Mitbegründern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).

Verheiratet und mit zwei Kindern musste er eine neue berufliche Existenz aufbauen. Er bekam das Angebot, in der DDR das Abitur zu machen und in Leipzig Publizistik zu studieren. Zurück in der BRD schrieb er bis zum KPD-Verbot für die «Volksstimme» und das «Badische Volksecho». 1960 erschienen seine Erinnerungen, «Die Schicksale der Gruppe G», in der DDR, 1994 in einer aktualisierten Neufassung unter dem Titel «Hanna, Kolka, Ast und andere ...»

Gasparitsch engagierte sich in allen wichtigen politischen Kämpfen seiner Zeit, in der Friedensbewegung, gegen Berufsverbote und Rechtsextremismus. Oftmals trug er demonstrativ seine ehemalige Häftlingskleidung, um die Losung «Nie wieder!» sichtbar zu machen. Seiner politische Überzeugung ist er treu geblieben: «Soziale Gerechtigkeit für alle, Toleranz und Freundschaft mit allen, Kultur und Bildung für jeden - über alle Grenzen hinweg. Und Frieden für alle Völker der Welt.»

Im Mai 2000 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt. Zwei Jahre darauf starb er nach schwerer Krankheit in Stuttgart. Seit Oktober 2014 trägt das selbstverwaltete Stadtteilzentrum Stuttgart-Ostheim seinen Namen.

Ulrich Schneider

Lektüretipp: Christoph Leclaire/ Ulrich Schneider, «Hans Gasparitsch - Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald (RuhrEcho-Verlag, 76 S., br., 5 €).

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