Initiativen fordern Kurswechsel

Wohnungspolitik soll radikal geändert werden, Rot-Rot-Grün unterstützt Bündnis

  • Nicolas Šustr und Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eines der größten außerparlamentarischen stadtpolitischen Bündnisse seit Langem. Über 232 Gruppen unterstützen die Demonstration »Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«, die an diesem Sonnabend ab 14 Uhr vom Potsdamer Platz über Kreuzberg nach Schöneberg ziehen will. Angemeldet sind 4000 Teilnehmer, es ist aber gut möglich, dass sich noch mehr Menschen an den Protesten gegen die immer weiter steigenden Mieten beteiligen werden. Kernforderung des Bündnisses ist: »Wir fordern einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik!«

Zwar richtet sich der Protest in der Hauptsache in Richtung Bund, da auf dieser Ebene ein Großteil der relevanten mietenpolitischen Vorgaben gemacht werden. Doch natürlich wird auch der rot-rot-grüne Senat kritisiert, beispielsweise dafür, dass nicht genügend bezahlbaren Wohnraum in der wachsenden Stadt Berlin zur Verfügung steht. Parteifahnen sind auf dem Aufzug nicht erwünscht, der Zusammenschluss möchte sich von niemanden instrumentalisieren lassen.

Mieter vernetzen sich
Mieter aus Häusern, die zum Firmengeflecht des börsennotierten Immobilienkonzerns ADO Properties S.A. gehören, haben begonnen sich stadtweit zu vernetzen. Nach rasantem Wachstum in den vergangenen drei Jahren besitzt ADO mittlerweile rund 21 000 Wohn- und 1340 Gewerbeeinheiten in Berlin, vorwiegend in begehrten innerstädtischen Lagen. Die Strategie von ADO ist: Aufwertung der Wohnungen durch Modernisierungen, verbunden mit Druck auf Mieter, die Wohnungen aufzugeben. damit sie anschließend deutlich teurer vermietet werden können. In einigen Häusern werden Wohnungen auch parzelliert, um sie als teure »Micro-Apartments« anbieten können. In anderen wird die Umwandlung in Eigentumswohnungen und deren Verkauf vorangetrieben. Insgesamt ein offenbar erfolgversprechendes Geschäftsmodell. Der Preis der ADO-Aktie hat sich seit der Emission an der Frankfurter Börse im Juli 2015 mehr als verdoppelt, von 20 auf 45 Euro. balc

Dass die Kritik an der rot-rot-grünen Wohn- und Mietenpolitik immer häufiger geäußert wird, hält die Koalitionspartner nicht davon ab, ebenfalls zu den Mietenprotesten aufzurufen. »Ich sehe das nicht als Widerspruch, da sich die Forderungen an die Bundesebene richten«, sagt die Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, dem »nd«. Auch die LINKE brauche den Druck von der Straße und die produktive Kritik, die der eigenen Findung helfe. »Ich begrüße diese Mietendemo sehr«, sagt Schubert. Auch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE), die für den Bau- und Mietenbereich zuständig ist, will an Demonstration teilnehmen - allerdings als Privatperson, wie sie sagt.

Auch die SPD, viele Jahre für die Wohnungspolitik zuständig, unterstützt die Forderungen. Das Wichtigste überhaupt sei, dass Berlin auch in Zukunft eine Mieterstadt bleibe, sagt Iris Spranger. »Das heißt«, so die Abgeordnete, »wir müssen weiterhin in erster Linie die Mieterinnen und Mieter schützen und für die Wohnungssuchenden müssen wir vor allem bauen, bauen, bauen.« Persönlich bei der Demo könne sie wegen Parteiterminen leider nicht dabei sein.

Einen »Paradigmenwechsel« in der Wohnungs- und Mietenpolitik fordern auch die Grünen. »Verdrängung, soziale Spaltung und Wohnungslosigkeit sind keine Naturgesetze in einer wachsenden Stadt«, erklärten die mietenpolitische Sprecherin der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion, Katrin Schmidberger, und der Landesvorsitzende Werner Graf. Auch die Grünen stünden »solidarisch an der Seite der Initiativen« und verstehen sich »auch als Regierungspartei als Teil der Mietenbewegung«.

Sandy Kaltenborn von der Initiative »Kotti & Co« findet es in Ordnung, wenn Politiker als Privatpersonen teilnehmen, zumal es bei der Demo vor allem um Protest gegen die Bundespolitik gehe. Dass nun »auch der eine oder andere Trittbrettfahrer mitmacht«, sei eben so. »In Berlin haben wir hauptsächlich Probleme mit der SPD«, sagt Kaltenborn. Vor allem die Vorwürfe des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), dass die Stadtentwicklungssenatorin sich nicht genug um den Neubau kümmere, sei »sehr ärgerlich«. »Die Demo ist auch Ausdruck dessen, das es mindestens genauso wichtig ist, sich um den Bestand politisch zu kümmern.«

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