Streit um Leitplanken

Bundestag setzte Debatte über einen Europäischen Währungsfonds fort, die Koalition hielt ihre Reihen nur mühsam beisammen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Freien Demokraten im Bundestag hatten am Freitag eine EU-Debatte in Form einer Aktuellen Stunde initiiert. Den Liberalen sind all die Überlegung über eine soziale Ausgestaltung der Europäischen Union ein Dorn im Auge - über womöglich aus dem Ruder laufende Investitionen und einen Europäischen Währungsfonds, der »leichter Geld ausgeben soll als der bisherige ESM«, wie Florian Toncar von der FDP es formulierte. Und obwohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seinen Vorschlägen für europäische Reformen gar keine zuerst sozialen Absichten hegt, befürchten die Liberalen eine Preisgabe der bisherigen dominanten deutschen Haushaltspolitik in der EU, die Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister bisher garantierte. Unionspolitiker wie Heribert Hirte (CDU) machten am Freitag zwar deutlich dass sie an der alten Linie festhalten wollen, dass es auch künftig Geld nur gebe, wenn klar sei, was es an Gegenleistung, also »Reformen« gibt. Bei der Überführung des ESM in den EWF werde man »der Bundesregierung noch ein paar Leitplanken aufstellen«. Der Haushaltspolitiker Christoph Meyer von der FDP rieb den Unionshaushältern dennoch unbarmherzig unter die Nase, sie seien ihrem Regierungspartner SPD auf den Leim gegangen, die im Koalitionsvertrag ihrem EU-Verständnis einen hohen Stellenwert verschafft hatte. Meyer warb und lobte: »Sie wollen die Spiele der SPD nicht mitmachen.« Vielleicht gebe es dann doch noch eine Möglichkeit der Zusammenarbeit. Im Koalitionsvertrag heißt es: »Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wollen wir zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Unionsrecht verankert sein sollte. Die Rechte der nationalen Parlamente bleiben davon unberührt.«

Was daraus im Einzelnen folgt, darum dreht sich der Streit, räumte Eckhardt Rehberg von der CDU ein, während die SPD-Politikerin Sonja Amalie Steffen nicht an an den Vorstellungen ihrer Partei rütteln lassen wollte, dass Europa eine soziale Ausgestaltung braucht. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag seien klar und eindeutig. Bei der Union könne man den Eindruck gewinnen, dass die Unklarheiten nicht ausgeräumt seien, jedoch habe der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Bröhmer, von Informationsveranstaltungen in seiner Fraktion gesprochen. »Wenn dann alle informiert sind, kann es ja losgehen«, meinte die SPD-Politikerin. Der FDP warf sie vor, dem Finanzmarkt überlassen zu wollen, wie Länder sich aus Krisensituationen befreien - da brauche man sich nicht zu wundern, »wenn Europa auseinanderbricht. Die SPD hat eine andere andere Vorstellung von Europa.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Macron hatten am Donnerstag nach ihrem Treffen in Berlin mitgeteilt, sie wollten dem Europäischen Rat Ende Juni eine gemeinsame Position vorlegen. So lange, argwöhnte der FDP-Haushälter Meyer, wolle die Union ihre Konflikte unter dem Teppich halten. Bis Ende Juni werde es deshalb vermutlich keine Positionierung geben. »Sie wollen sich über den Juni retten!«

Damit würde sie in jedem Fall auch die Grünen weiter aufbringen, deren Redner Sven-Christian es bereits am Freitag peinlich fand, dass Merkel auf die französischen Vorschläge nicht so enthusiastisch wie die Grünen reagiert. Es gebe ein »historisches Zeitfenster, das wir nutzen müssen«, meinte Kindler. Vor allem kritisierte er Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich jetzt entscheiden müsse zwischen dem Koalitionsvertrag und dem Erbe von Wolfgang Schäuble. »Troika for ever« wäre eine Katastrophe für Europa, so Kindler.

»Wenn das Ihr Aufbruch ist, dann wecken Sie mich bitte an der Endstation«, mokierte sich Fabio De Masi von der Linksfraktion. Für ihn geht die Debatte der Koalition am Kern der Probleme vorbei, dem Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und der Eurozonenländer. Auch die LINKE sei für parlamentarische Kontrolle des EWF, aber viel wichtiger sei die Frage, was mit ihm erreicht werden soll. Der EWF müsse über eine Banklizenz verfügen, um sich bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren und öffentliche Investitionen unterstützen zu können. De Masi reihte sich damit gleichwohl unter jenen Rednern ein, die über die Perspektive von EU und Eurozone sprachen. Wie immer, positionierte sich die AfD außerhalb. Der Deutsche wolle keinen ESM oder EWF, keinen EU-Finanzminister oder Ähnliches, meinte Peter Boehringer. »Er will es einfach nicht!«

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