Ein Regelwerk fürs Weltklima

UN-Konferenz in Bonn arbeitet an Umsetzung des Abkommens von Paris und der Nachschärfung nationaler Pläne

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die diesjährige Runde der Klimaverhandlungen hat Anfang der Woche in Bonn begonnen. Etwa 3000 Delegierte aus aller Woche werden auf einer knapp zweiwöchigen Konferenz am Sitz des UN-Klimasekretariats den nächsten Klimagipfel im Dezember im polnischen Katowice vorbereiten. In Bonn sollen auf Fachebene Fortschritte bei der Erarbeitung der Gebrauchsanleitung für das Paris-Abkommen erzielt werden, damit diese Ende des Jahres dann auch verabschiedet werden kann.

»Das hört sich nach einer sehr technischen Übung an, ist aber wichtig«, sagt Todd Stern, der ehemalige Klimagesandte der USA. »Diese Regeln haben viel damit zu tun, wie stark das System wird.« Derzeit liegen für diese Regeln Ideensammlungen vor, die nun in einen Verhandlungstext überführt werden müssen. Dabei geht es um Regeln für die Ausgestaltung der einzelnen nationalen Klimapläne, für die Buchhaltung für Treibhausgasemissionen und um die Details der Finanzhilfen für arme Länder, aber auch um die Überprüfung, ob die Ziele des Weltklimavertrages auch erreicht werden. Zum Stand der Arbeit gibt es widersprüchliche Aussagen. »Die Verhandlungen geben derzeit Anlass zur Sorge«, meint Stern. Die beiden Co-Vorsitzenden der Verhandlungen, Sarah Baashan (Saudi-Arabien) und Jo Tyndall (Neuseeland), schreiben hingegen, die Arbeiten seien »auf Kurs«, aber das Tempo müsse »signifikant erhöht« werden.

Wie gewohnt ist die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern das heikelste Problem. Das Paris-Abkommen verpflichtet alle Staaten zum Klimaschutz. Das schließt unterschiedliche Regeln für arme und reiche Länder aber nicht aus. Eine Staatenallianz um China und Indien will daher erreichen, dass zwei verschiedene Gebrauchsanleitungen erarbeitet werden. Dies wollen unter anderem die EU und die USA unbedingt verhindern. »Ich bin zuversichtlich, dass es nur ein Regelbuch geben wird«, meint Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation. Dieses werde aber, wie im Paris-Abkommen vorgesehen, »spezifische Flexibilitäten« für die ärmsten Länder und die kleinen Inselstaaten enthalten.

Aber auch das beste Regelwerk bringt wenig, wenn den Ländern der Ehrgeiz fehlt, die Klimaziele auch zu erreichen. Noch sind die Klimapläne der Länder unzureichend, um die Erderwärmung auf »deutlich unter zwei Grad« oder besser noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es im Weltklimavertrag heißt. Spannend wird daher die diesjährige Bestandsaufnahme, »Talanoa-Dialog« genannt, sein. Dabei sollen drei Fragen geklärt werden: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wie schaffen wir das? Anschließend wird von den Ländern erwartet, dass sie ihre Klimaziele entsprechend nachschärfen. Im Fall der EU funktioniert dieser Mechanismus bereits. Die 28 Mitgliedsstaaten haben die EU-Kommission damit beauftragt, Anfang kommenden Jahres einen langfristigen Klimaplan vorzulegen, der mit den Zielen des Paris- Abkommens kompatibel ist.

Das dritte klimapolitische Puzzlestück in diesem Jahr ist der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel. Die Wissenschaftler sollen klären, ob die Erwärmung überhaupt noch auf diesen Wert begrenzt werden kann und, wenn ja, wie.

Umweltorganisationen hoffen, dass aus dem Zusammenwirken von Regelwerk, Bestandsaufnahme und 1,5-Grad-Bericht eine neue Dynamik entsteht. »Das Jahr 2018 ist das wichtigste seit der Verabschiedung des Paris-Abkommens im Dezember 2015«, meint David Waskow vom World Resources Institute. Der Schweizer Perrez ist überzeugt, dass zumindest die Klimadiplomaten liefern werden: »Die Verhandlungen haben in den letzten Jahren am Schluss immer das gebracht, was für den Prozess wirklich nötig ist.« Um dies zu erreichen, müssen aber auch die Politiker weltweit liefern, betont Sven Harmeling von der Entwicklungsorganisation Care: »Die Regierungen müssen alle Optionen prüfen, um die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.«

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