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Mythos Sorbonne

Bildungsrauschen

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Universität Sorbonne und mit ihr das Quartier Latin (Lateinisches Viertel) sind durch die 1968er Studentenproteste bekannt geworden. Dass die Hochschule bereits bei ihrer Gründung im Zentrum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen stand, dürfte weniger bekannt sein. Der erste Universitätsstreik in der europäischen Geschichte wird auf 1229 datiert. Ausgang war ein »studentisches Trinkgelage«, das in einer Prügelei endete. Daraufhin »stürmten« die gesandten Soldaten des Stadtvogts das Quatier Latin und »eröffneten die Jagd« auf die Studierenden, waren diese ihnen wegen ihrer »Arroganz« doch schon lange ein Dorn im Auge. Die Antwort der Lehrenden bestand in einem Vorlesungsstreik, der sich über drei Jahre erstreckte, denn die Stadt verweigerte eine »Entschädigung«. Viele der Dozenten wechselten zu anderen Universitäten, so auch nach Oxford. 1231 dann gab Papst Gregor IX die Bulle Parens scientiarum heraus, in der er der Universität als »Mutter der Wissenschaften« diverse »Privilegien« zugestand, die wie ihre Unabhängigkeit 1232 von Ludwig IX garantiert wurden.

Als universitas magistrorum et scholarium (Vereinigung von Lehrern und Schülern) wurde die Pariser Universität um 1200 gegründet. Sie gilt als erste Frankreichs. Angekoppelt initiierte 1253 der Hofkaplan von Ludwig des Heiligen, Robert von Sorbon (1201 - 1274), ein Kolleg mit Internat, das 1257 von Ludwig bestätigt wurde und im 14. Jahrhundert als »Collège de Sorbonne« nach ihm benannt wurde.

Da die universitäre Theologische Fakultät häufig in der Sorbonne tagte, wurde zum Ende des 15. Jahrhunderts der Name Sorbonne auch auf die Universität übertragen. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie bereits vier Fakultäten vorweisen: die Freien Künste, Recht, Medizin und Theologie. Zusammen bildeten sie das Quartier Latin, in dem Latein die Verkehrssprache war. Heute liegt es quer zu den Verwaltungsstrukturen im Zentrum der Pariser Altstadt. (sorbonne.fr).

Durch Übernahme »katholischer Fundamentalisten« wurde die Sorbonne ab 1500 ein Ort der Restauration, die mangels Aufklärung im Zuge der Französischen Revolution 1792 geschlossen wurde. Rund 30 Jahre später musste Napoleon auf die Strukturen der Universität zurückgreifen, da er, bedingt durch den Ausbau des Bildungssystems, geschulte Lehrkräfte benötigte. (retro-bibliothek.de)

Ende des 19. Jahrhunderts avancierte die Sorbonne zu Frankreichs zentraler Universität, die sich seit 1968 in 13 Teiluniversitäten aufteilt. Eine von ihnen, die Universität 8, entstand in Vincennes 1969 als »experimentelles Hochschulzentrum«, in dem zur Selbstverwaltung auch ein »demokratischer Umgang« erprobt wurde. Kurze Zeit später wurde diese »frei denkende Universität des linken Spektrums gegen den Widerstand der Studierenden« beendet; 1980 wurde sie verlegt und innerhalb weniger Tage abgerissen. Berühmte Absolventen, Studierende und Lehrende der Sorbonne waren und sind Gilles Deleuze, Jean-Francois Lyotard, Pierre Bourdieu, Michel Foucault, Slavoj Źiźek, Antonio Negri, Sarah Biasini und Simone de Beauvoir (univ-paris8.fr/de). Lena Tietgen

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