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Selbstzahler-Leistungen oft nutzlos

Individuelle Gesundheitsleistungen (Igel)

  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Patienten bekommen beim Arzt Leistungen zum Selbstzahlen angeboten, die aus Sicht von Medizinexperten der Krankenkassen nutzlos sind oder sogar schaden. Besonders häufig verkaufte individuelle Gesundheitsleistungen (Igel) wie Messungen des Augeninnendrucks oder Ultraschall-Früherkennungen widersprächen teils den Empfehlungen von Fachverbänden, so die Einschätzung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (MDS). Patientenschützer forderten strengere Vorgaben.

MDS-Geschäftsführer Peter Pick sagte, die Angebote orientierten sich nicht am nachgewiesenen Nutzen, sondern an Vorlieben von Arztgruppen und Umsatzinteressen der Praxen. »Zum Teil werden Patienten unter Druck gesetzt, damit sie solche Leistungen annehmen. Das ist nicht hinnehmbar.« Igel-Leistungen werden von den Kassen nicht bezahlt.

Insgesamt bekommt jeder zweite Versicherte beim Arztbesuch Leistungen angeboten, die privat zu zahlen sind.

Die von Ärzten am häufigsten verkauften Angebote waren laut Umfrage im Auftrag des MDS Messungen des Augeninnendrucks zur Früherkennung des Grünen Stars. Die Glaukom-Früherkennung wurde nach einer Umfrage unter mehr als 2000 Versicherten jedem Fünften (22 Prozent) angeboten. Eine solche alleinige Messung ohne eine Augenspiegelung werde vom Berufsverband als »Kunstfehler« eingestuft.

In dem Ranking folgten der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung bei Frauen (19 Prozent), deren Effekt aber negativ sei. Frauen würden durch Fehlalarme unnötig beunruhigt. Es könnten auch gesunde Eierstöcke entfernt werden. Peter Pick berichtete von einer Zuschrift einer 60-Jährigen, der trotz entfernter Eierstöcke eine Untersuchung als »trotzdem nötig« empfohlen worden sei.

Weitere Topseller sind der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung (12 Prozent) und der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs bei Männern (7 Prozent). Alle diese genannten Untersuchungen stuft der von der gesetzlichen Krankenversicherung unterstützte »Igel-Monitor« als negativ, tendenziell negativ oder bestenfalls unklar ein. Zum Ermitteln der meistverkauften Igel-Leistungen wurden 2000 gesetzlich Versicherte zwischen 20 und 69 Jahren befragt.

Der Berufsverband der Frauenärzte kritisierte, die MDS-Bewertungen brächten moderne Leistungen in Misskredit und säten Misstrauen gegen Ärzte. So sei ein Ultraschall isoliert nur auf Eierstockkrebs nicht sinnvoll. Es könnten aber etwa Zysten, Flüssigkeitsansammlungen oder Wucherungen im Bereich von Gebärmutter, Harnblase und Eierstöcken erkannt werden.

Eher kritisch stuften die Medizinexperten der Kassen auch Angebote für Magnetresonanztomographien (MRT) zur Brustkrebs-Früherkennung ein. Für einen Nutzen gebe es keine Hinweise, durch Kontrastmittel aber mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit. In einer weiteren neuen Bewertung wird Osteopathiebehandlungen bei Kreuzschmerzen ein unklarer Nutzen bescheinigt, Hinweise auf Schäden gab es nicht.

Laut der Umfrage der Versicherten geht die Initiative für Igel-Angebote überwiegend vom Arzt aus, nur selten gab es einen ausdrücklichen Patientenwunsch. Der Medizinische Dienst der Kassen machte deutlich, es gebe ein »großes Potenzial«, Igel-Angebote vom Markt zu nehmen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte strengere gesetzliche Vorgaben. »Was für Haustürgeschäfte gilt, muss auch für ärztliche Igel gelten«, sagte Vorstand Eugen Brysch. Patienten solle zwischen dem Angebot des Arztes und der Leistungserbringung eine Bedenkzeit von 14 Tagen eingeräumt werde.

Das Bundesverbraucherministerium sei gefordert, dies gesetzlich zu regeln. »Gerade die Gutgläubigkeit älterer Patienten wird hier häufig ausgenutzt. Damit muss Schluss sein«, sagte Brysch. Agenturen/nd

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