Citywache soll Cottbus entspannen

Koalition will Sicherheitsgefühl in der Stadt stärken - Landesregierung soll die Lage prüfen

  • Wilfried Neiße und Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 5 Min.

Der von der rot-roten Regierungskoalition eingebrachte Antrag beauftragt den Landesregierung, Möglichkeiten einer Verstärkung der Präsenz von Polizei und Ordnungsamt in der Cottbuser Innenstadt - etwa in Form einer neu zu schaffenden Citywache nach Berliner Vorbild - zu prüfen. Hintergrund der Überlegungen waren die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und deutschen Einwohnern in der Lausitzstadt, die nach dem Jahreswechsel eskaliert waren. Cottbus hatte deutlich mehr Flüchtlinge als andere Städte und Gemeinden in Brandenburg zugewiesen bekommen und bereits 2017 mehr Unterstützung vom Land bei deren Integration gefordert.

Nach den Übergriffen hatten Polizei und Ordnungsamt ihre Präsenz in der Stadt sichtbar verstärkt. Dennoch war es zu zahlreichen Kundgebungen und Aufmärschen gekommen, wobei getragen etwa vom Verein »Zukunft Heimat« fremdenfeindliche und rechte Attacken gegen die Asylpolitik von Bund und Land dominierten. Kriminelle Vorfälle, die mit den in Cottbus untergebrachten Asylbewerbern in Zusammenhang stehen, waren gezielt von Pegida, AfD sowie extrem rechten Gruppierungen agitatorisch instrumentalisiert worden.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Kurth, sagte am Dienstag dazu, damit reagiere der Landtag auf einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Damit liege ein »Appell an uns alle« vor. Kurth räumte ein, dass sich in der örtlichen Kriminalitätsstatistik kein Grund für eine solche Maßnahme finden lasse, da es eine Zunahme der Kriminalität in der Stadt nicht gebe. Doch habe man darauf adäquat zu reagieren, dass unter den Cottbusser Bürgerinnen und Bürgern ein anderes »Gefühl« vorherrsche und dem gelte es Rechnung zu tragen und »subjektiv Nachdruck« zu verschaffen. »Die Sicherheit liegt uns am Herzen«, erklärte er.

Das »Sicherheitszentrum Innenstadt« sei eine Möglichkeit für den Bürger, Polizei und Ordnungsamt gleichermaßen anzusprechen und sich dort Rat zu holen. Kurth hob den »Servicegedanken« einer derartigen Einrichtung hervor. Diese könne dem Bürger nicht nur ein höheres Sicherheitsgefühl vermitteln, sondern auch konkrete Ansprechpartner bieten.

Das Sicherheitsgefühl der Cottbusser war auch dem Fraktionschef der Grünen, Axel Vogel, wichtig. Wenn ein solches »Sicherheitszentrum« ein Mittel sei, um das zu verbessern, und es sich als »geeignetes Instrument« erweise, dann solle man das so machen.

Für die LINKE wies der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thomas Domres, darauf hin, dass es sich zunächst um einen »Prüfauftrag« handle. Die Lage in Cottbus sei »nach wie vor schwierig«. Die Politik müsse in dieser Situation die Präsenz von Polizei sichern. Wenn die Bürger der Stadt in einer solchen Situation einen Ansprechpartner erhalten, sei das zu begrüßen. Domres verglich diesen Plan mit der neu eingerichteten Wache auf dem Berliner Alexanderplatz, die aufgebaut wurde, weil man anders der Kleinkriminalität im Zentrum Berlins nicht Herr zu werden glaubte. Die Ablehnung Berlins, ein von der Bundesregierung geplantes Ankerzentrum für Asylbewerber auf seinem Territorium einzurichten, ist laut Domres keine Einladung dafür, diese Zentren jetzt in Brandenburg aufzubauen. »Wir sehen das grundsätzlich kritisch«, stellte er klar. Es sei nicht zu verstehen, dass ein solcher Plan verkündet wurde, ohne dass mitgeteilt werden konnte, wie ein solcher »Anker« auszusehen habe. Eine Verweildauer von 18 Monaten in einem solchen Zentrum sei für die LINKE auf jeden Fall nicht akzeptabel. Und was den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen betreffe, gehe die entsprechende UN-Konvention auf jeden Fall vor.» Ich glaube, dass es von unserer Seite keine Zustimmung dazugeben wird.«

Die CDU steht hinter dem Plan für eine Citywache in Cottbus. Mit Blick auf die Kriminalitätsstatistik sagte Landtagsfraktionschef Ingo Senftleben, dies sei nicht ein Mittel, auf Straftaten zu reagieren, sondern sie präventiv zu verhindern.

Bereits am vergangenen Monat hatten SPD, LINKE, CDU und Grüne einen gemeinsamen parlamentarischen Antrag erarbeitet, wonach mit dem Beibehalten der verstärkten Polizeipräsenz auf die nach wie vor gespannte Situation in Cottbus reagiert werden sollte. Ausdrücklich wird darin die Landesregierung aufgefordert, auch an anderen Orten die verstärkte präventive Polizeiarbeit fortzusetzen, »so lange der Bedarf besteht«.

»Einzelne Auseinandersetzungen zwischen einheimischen und geflüchteten Menschen - über die in Medien und in sozialen Netzwerken ausführlich berichtet wurde - haben den Eindruck entstehen lassen, in der Stadt herrsche ein aggressives Klima vor«, heißt es in der Begründung. »Solche Darstellungen entsprechen weder der täglichen Lebensrealität in Cottbus noch der im Land Brandenburg.«

Cottbus habe überdurchschnittlich viele geflüchtete Menschen aufgenommen, was zu besonderen Herausforderungen führe, fährt das Papier fort. Dazu würden kulturelle Unterschiede gehören, die zu Konflikten führen. Zu den weiteren Herausforderungen wird gezählt: »Die Unterbringung, ausreichend Plätze in Kitas und Schulen sowie gute Angebote zur Integration.« In dem gemeinsamen Papier der vier Fraktionen heißt es, die Integrationsbemühungen sollten weiter unterstützt werden. Verwiesen wird auf eine Änderung der Erstattungsverordnung zum Landesaufnahmengesetz. Sie diene dem Ziel, Migrationssozialarbeit für die diejenigen Geflüchteten zu finanzieren, die asyl- und bleibeberechtigt sind. Weiter seien die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Förderung kommunaler Integrationsmaßnahmen zeitnah umzusetzen.

Zu den in der Lausitzstadt selbst aus den Spannungen der vergangenen Monate gezogenen Konsequenzen zählt auch die Ablösung des mit der Bewachung der Asylunterkünfte betrauten Sicherheitsunternehmens. Die Initiative »Cottbus schaut hin« informierte in der vergangenen Woche: »In der Zielona-Gora-Straße in Cottbus zeigt sich, die Stadt hat stillschweigend neue Sicherheitsunternehmen in den Asylunterkünften beauftragt.« Die Initiative hatte die dortigen Übergriffe von Deutschen auf Flüchtlinge in der Silvesternacht öffentlich gemacht. Dabei hatte sie der Stadtverwaltung vorgeworfen, das vor Ort eingesetzte Sicherheitsunternehmen habe mutmaßlich Verbindungen in die rechte Szene. Seine nun erfolgte Ablösung betrachtet die Initiative als Eingeständnis seitens der Stadt. Das jetzt beauftragte Sicherheitsunternehmen habe langjährige Erfahrung in der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften in Cottbus.

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