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Neue Attraktion für die alte Burg

In Beeskow eröffnet ein Musikmuseum, in dem Orchestrions und automatischen Klaviere vorgeführt werden

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die muskelbepackten Mitarbeiter der Umzugsfirma leisten Schwerstarbeit. Sie wuchten zu viert oder zu fünft tonnenschwere Möbelstücke von einem Lift durch ein zweiflügeliges Fenster im Obergeschoss der Burg Beeskow. Was die Kommoden und Schränke so gewichtig macht, offenbart erst ein Blick ins Innere: Die unförmigen Holzkonstruktionen machen per Knopfdruck oder Kurbeldrehung Musik. Eine ausgeklügelte Mechanik inklusive erzeugtem Unterdruck oder auch eine pneumatische Lösung sorgen dafür, dass die Konstruktionen harmonische Töne von sich geben.

»Diese teils mehr als 100 Jahre alten Instrumente sind optisch schön anzusehen und technisch interessant, doch sie erschließen sich nicht ohne Musik«, erklärt Thomas Jansen, der Orchestrions, Trompetenorgeln, automatischen Klaviere, aber auch Drehorgeln, Grammophone und Spieluhren seit mehr als 40 Jahren sammelt und repariert. Im nordrhein-westfälischen Monschau hatte er ein eigenes Museum und wollte sich vor fünf Jahren eigentlich zur Ruhe setzen. Inzwischen ist er vom äußersten Westen Deutschlands mit seiner einzigartigen Sammlung weit in den Osten gezogen.

»Wir haben jetzt eine neue Dauerausstellung, die hoffentlich kontinuierlich Besucher auf die Burg lockt«, freut sich Beeskows Bürgermeister Frank Steffen vor der Eröffnung an diesem Freitag. Die Stadt hat den Großteil von Jansens Sammlung mit knapp 200 Instrumenten sowie rund 1600 Tonträgern und Notenrollen für 400 000 Euro gekauft. Weitere 2,8 Millionen Euro flossen in den Umbau und die Sanierung der mittelalterlichen Burggemäuer, 80 Prozent der Mittel stammen aus Fördertöpfen für den Städtebau.

Der Bürgermeister ist sich sicher, dass sich der Aufwand gelohnt hat. »So ein Museum gibt es im gesamten norddeutschen Raum sonst nirgends. Fast alle Exponate sind tatsächlich noch oder wieder spielbar«, betont er. Insgesamt 40 der riesigen Schrankautomaten sind im Obergeschoss des Alten Amtes auf der Burg ausgestellt, dazu kommen auf 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche kleinere wie Leierkästen oder Spieldosen. Die Kombination aus Feinmechanik und Musik sei es, die ihn so fasziniere, sagt Steffen. »Wir sind jetzt vielfältiger aufgestellt«, freut sich Burgdirektor Arnold Bischinger. Das Angebot lasse sich nun gar nicht mehr komplett bei einem Besuch erschließen. Bischinger hofft auf »Wiederkehrer« unter den Gästen. Im Erdgeschoss unter dem Musikmuseum liegt der Konzertsaal, in dem selbstspielende Klaviere oder ein Orchestrion jetzt regelmäßig zu hören sein sollen. Besucher werden an vier Tagen in der Woche durchs Museum geführt. Sie dürfen einen Blick in das Innere der Automaten werfen, können verfolgen, wie Walzen oder Notenrollen die Musik transportieren und hören alte Schlager.

Jansen weiß seine Sammlung in guten Händen, kann aber die Finger nicht von den alten Instrumenten lassen. Er repariert sie noch immer auch für andere Sammler und Museen. »Mit den Aufträgen habe ich noch die nächsten 20 Jahre zu tun.« In einem alten Gasthof in Lieberose, den er erworben hat, will der 64-Jährige seine Werkstatt einrichten. Er hat auch schon wieder alte Musikautomaten angekauft. »Der Gasthof hat einen schönen großen Saal«, deutet Jansen schmunzelnd an. Ursprünglich hatte er Elektrotechnik und Fotografie studiert. Dann fiel ihm durch Zufall ein ramponiertes automatisches Klavier in die Hände. »Mein eigentliches Studium habe ich nie abgeschlossen«, bekennt der Autodidakt.

Um 1900 gab es für die mechanischen Musikinstrumente eine eigene Industrie, die bis in die 1920er Jahre Wirtshäuser, Kirchen, Jahrmärkte und Privathaushalte belieferte. Später liefen ihnen Schallplatten und Grammophon, Radio und Fernsehen den Rang ab. Einige Jahre hat Jansen in den USA gearbeitet. »Dort befinden sich mittlerweile die größten Sammlungen selbstklingender mechanischer Musikinstrumente, die eigentlich so eine typisch deutsche Spezialität sind«, sagt er. dpa

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