Misshandlungsvorwürfe gegen Leipziger Polizei

Haben Beamte nach einer Festnahme Jugendliche malträtiert? Die Rote Hilfe erhebt schwere Anschuldigungen

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Polizisten griffen am Abend des 25. April eine Gruppe von Jugendlichen im Stadtteil Connewitz auf, die eine Wand mit Farbe besprüht hatten. So viel ist unstrittig. Die Beamten sollen gegen die Sprayer Gewalt angewendet haben, das wirft die Rote Hilfe der Polizei vor. Die Polizei spricht von allgemeinen Vorwürfen, denen nachgegangen werde.

Die Rote Hilfe, die Menschen unterstützt, die aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden, gibt in einer vor wenigen Tagen veröffentlichen Mitteilung an, die Betroffenen seien noch vor Ort von den Beamten bedroht und beleidigt worden. Den Jugendlichen soll »in Bauch, die Rippen und auf den Kopf geschlagen« worden sein. Nach dem Transport in den nahe gelegenen Polizeiposten in der Wiedebachpassage im Leipziger Süden soll die Schikane weitergegangen sein. Einem »gefesselten, wehrlosen Genossen« seien unter »Friss, Friss, Friss«-Rufen »Tascheninhalt, Geldscheine und ein Feuerzeug in den Mund gestopft« worden. Ein anderer Jugendlicher sei auf einem leeren Stuhl kniend immer wieder »im Genick gepackt und hochgezogen« worden. Beschwerden, Einsprüche und Fragen nach Dienstnummern der Polizisten sollen mit »weiteren Gewaltandrohungen und Beleidigungen« quittiert worden sein. Nach einer Identitätsfeststellung hätten die Jugendlichen die Wache zwei Stunden später wieder verlassen können.

Polizeisprecher Andreas Loepki bestätigte gegenüber »nd«, dass es an besagtem Abend Festnahmen von vier Jugendlichen gegeben hat. Ebenfalls bestätigte er, dass aufgrund eines Schreibens einer Rechtsanwältin, die einen der Jugendlichen vertritt, interne Ermittlungen gegen die beschuldigten Beamten aufgenommen worden sind. Die Vorwürfe seien aber laut Loepki »zu allgemein«, um eine Suspendierung der Polizisten zu rechtfertigen. Die Mitteilung der Roten Hilfe bezeichnete Loepki gegenüber »nd« als unseriös. Er würde dem Verein »jedwede Objektivität absprechen«.

Der Polizeiposten in der Wiedebachpassage ist seit seiner Einführung umstritten. Anwohner klagen gegenüber »nd« über eine »zunehmende Überwachung im Kiez«.

Jona, ein Sprecher der Roten Hilfe Leipzig, beschrieb auf nd-Nachfrage die Situation in dem Leipziger Stadtteil Connewitz als »aufgeheizt«. Seit Jahren steht das Viertel unter Generalverdacht, ein Zentrum linker Gewalt zu sein.

Die Solidaritätsorganisation unterstütze die Jugendlichen, die alle unter sechzehn Jahre alt sind, nach den Geschehnissen. Man habe eine intensive Diskussion darüber geführt, ob und in welcher Form mit den Ereignissen an die Öffentlichkeit gegangen werden sollte. Die Angst sei groß, dass die Polizei mit Gegenanschuldigungen antwortet und eventuell ein Verfahren wegen Verleumdung eröffnet. Deshalb sei auch bisher noch keine Anzeige von den Betroffenen wegen Körperverletzung eingegangen. »Vor Gericht haben solche Verfahren unserer Erfahrung nach wenig Aussicht auf Erfolg«, meinte Jona.

Tatsächlich ist in Sachsen die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete wegen Körperverletzung im Amt so hoch wie noch nie, während sich die Zahl der tatsächlichen Anklagen auf einem historischen Tief befindet. Nach Angaben des Justizministeriums erhöhte sich 2016 die Zahl der Ermittlungsverfahren im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent, von 274 auf 425 Beschuldigte, die Zahl der vor Gericht angeklagten Fälle aber sank von vier auf drei Prozent.

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