Putin setzt auf Spiele und Brot

Die Fußball-WM soll bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft helfen und die Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die 21. Weltmeisterschaft wird das teuerste Fußballturnier aller Zeiten. Bislang hielt Brasilien mit elf Milliarden Euro den Rekord. Für Russland betragen die Kosten nach siebeneinhalb Jahren Vorbereitung schon 13,2 Milliarden, meldet der Sportinfodienst »Sponsors«. Den größten Kostenblock bildet der Bau der Sportstätten: Mit vier Milliarden Euro toppt Russland das »Sommermärchen« (1,5 Milliarden) deutlich. Allerdings wurden in Deutschland nur vier Stadien neu gebaut - in Russland sind es neun.

Der Fußballverband RFS verspricht sich von den neuen Spielstätten einen kommerziellen Schub für seine »Premjer-Liga«, die trotz erheblicher Investitionen in - meist gealterte - Star-Kicker aus dem Westen international als zweitklassig gilt. Kaum mehr als 10 000 Zuschauer tummeln sich durchschnittlich pro Ligaspiel in den Stadien zwischen Moskau und Machatschkala. Die Bundesliga hatte nach der WM 2006 einen Boom erspielt: Zuschauerschnitt 45 000.

Ob der wirtschaftliche Funke überspringt, bleibt ebenfalls abzuwarten. Schwer taten sich die Veranstalter FIFA und Russland bereits bei der Sponsorensuche. Dabei dürften die Wirtschaftssanktionen von EU und USA mittelbar eine wichtige Rolle spielen. Eigentlich sollten 34 Konzerne als Werbepartner helfen, die WM finanziell zum Erfolg zu führen. Zu Turnierbeginn sind jedoch nur 16 »Partner« eingebucht, die bis zu 32 Millionen Euro pro Jahr überweisen, darunter der russische Energiekonzern Gazprom. Auffällig ist, dass mit Qatar Airways ein Konzern aus dem Gastgeberland des Turniers 2022 stammt.

Auch deutsche Firmen halten sich zurück. Allerdings sind »etliche« Unternehmen an den russischen Investitionen in Stadien und Infrastruktur beteiligt, freut man sich beim in Hamburg ansässigen Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft. So habe der fränkische Mittelständler Rehau elf der zwölf WM-Stadien mit Rasenheizungen ausgestattet.

Präsident Wladimir Putin dürfte mit der WM seinen Landsleuten nicht allein »Spiele« bieten und das Image seines Landes in der Welt aufbessern wollen. Putin setzt auch auf »Brot«: Die WM soll seine Modernisierungsstrategie beflügeln und dazu beitragen, das Land zu einer führenden Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Noch ist Russlands Bruttoinlandsprodukt trotz weit größerer Bevölkerungszahl beispielsweise geringer als jenes Italiens. Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur infolge der Olympischen Winterspiele in Sotschi und nun der WM sollen die Modernisierung pushen.

Für die Vergangenheit zeigen Studien, dass dies nur wenigen Veranstaltern sportlicher Großereignisse gelungen ist. Dazu kommt Russlands spezifisches Problem: Die wichtigsten Handelspartner China und Deutschland sind vor allem an Energielieferungen interessiert. Und so besteht die Hälfte des russischen Außenhandels immer noch aus Öl, Gas und Petrochemie. Politisches Ziel ist jedoch die Steigerung der Ausfuhren von Nicht-Rohstoffen. Russlands Regierung setzt auf Digitalisierung, Förderung des Exports von Industriewaren und Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch bessere Technik. Außerdem versucht Moskau, »Impulse für den Konsum« zu setzen, um die Binnennachfrage anzukurbeln, heißt es bei der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI.

Die Realeinkommen werden 2018 immerhin um etwa 2,5 Prozent steigen, schätzt das Wirtschaftsministerium. Mit der Fußball-WM hat das aber weniger zu tun als mit dem gestiegenen Ölpreis.

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