In China gewinnt Entwicklungspolitik an Gewicht

Peking unterstreicht Anspruch auf Weltmachtstatus mit neuer Entwicklungsagentur

  • Uwe Kerkow
  • Lesedauer: 3 Min.

China baut seine Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika und Lateinamerika mit Rasanz aus. Nun sollen auch die entwicklungspolitischen Beziehungen auf ein neues Niveau gehoben werden. Dafür spricht die neu gegründete Agentur für Internationale Entwicklungszusammenarbeit. Bisher waren die Kompetenzen für die wirtschaftliche Kooperation mit anderen Ländern zwischen dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium aufgeteilt. Die neue Behörde verantwortet sich dagegen direkt gegenüber dem Staatsrat, der höchsten Regierungsbehörde der Volksrepu-blik.

Gleichzeitig markiert dieser Schritt die offizielle Bestätigung dafür, dass das Reich der Mitte in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit endgültig von der Nehmer- auf die Geberseite wechselt. Die neue Entwicklungsagentur soll allerdings weniger mit der Durchführung als vielmehr mit der strategischen Planung und der Koordination der chinesischen Entwicklungspolitik beschäftigt sein - auch im Rahmen der »Neuen Seidenstraße«.

»Wir rechnen jedoch nicht damit, dass die chinesische Entwicklungspolitik in absehbarer Zeit transparenter wird«, sagt Nora Sausmikat, Leiterin des China-Programms der Stiftung Asienhaus in Köln. »Das Wenige, was wir über dieses Thema wissen, kommt im Wesentlichen aus den USA.« Und tatsächlich zitieren selbst angesehene chinesische Zeitungen wie die »South China Morning Post« das US-amerikanische Forschungszentrum »AidData«.

Dessen Untersuchungen weisen darauf hin, dass China im Zeitraum 2000 bis 2014 mit umgerechnet fast 355 Milliarden US-Dollar fast genauso viel Geld für Entwicklung bereitgestellt hat wie die USA (knapp 395 Milliarden US-Dollar). Chinesische Quellen legen großen Wert darauf, dass China die USA auf diesem Feld bald überholen wird, denn so richtig habe China mit der Entwicklungsfinanzierung erst 2009 begonnen.

Allerdings bevorzugen die Supermächte unterschiedliche Finanzierungsinstrumente in ihrer Entwicklungszusammenarbeit. Die USA setzen stärker auf - nicht rückzahlbare - Zuschüsse, wovon sie 2014 etwa 28,4 Milliarden US-Dollar vergaben. Dem standen nur eine Milliarde US-Dollar an Krediten gegenüber, die zu Zinssätzen unter dem Marktniveau vergeben wurden. Aus China kamen im gleichen Jahr dagegen 6,9 Milliarden US-Dollar an Zuschüssen, aber 24 Milliarden US-Dollar an Krediten, die nicht nur an Entwicklungsländer gehen. Die wichtigsten Kreditnehmer Chinas zwischen 2000 und 2014 waren Russland (36,6 Mrd. US-Dollar), Pakistan (16,3 Mrd.), Angola (13,4 Mrd.), Laos, Venezuela und Turkmenistan (alle über zehn Mrd.). Auch Ecuador, Brasilien, Sri Lanka und Kasachstan stehen mit substanziellen Beträgen bei China in der Kreide. Die zehn bedeutendsten Empfänger chinesischer Entwicklungshilfe waren dagegen Kuba, die Côte d’Ivoire, Äthiopien, Simbabwe, Kamerun, Nigeria, Tansania, Kambodscha, Sri Lanka und Ghana. »Wer die über Jahrzehnte aufgebauten auswärtigen Beziehungen Chinas kennt, kann anhand dieser Listen feststellen, dass nicht so sehr viel Neues in den chinesischen Außenbeziehungen passiert ist«, stellt Sausmikat klar. Manches reiche zurück bis in die Tage der Konferenz der blockfreien Staaten 1955 in Bandung. »Daran ändert auch der Hype um die Neue Seidenstraße wenig.«

Zwischen 2000 und 2014 flossen über 37 Prozent der Mittel aus China in Energieerzeugung und -versorgung, ein weiteres Viertel in Transport- und Lagerinfrastruktur. Auch die Förderung von Industrie, Bergbau und Bauwesen erhielt erhebliche Zuwendungen, während Projekte in Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei keine drei Prozent der Gelder in Anspruch genommen haben.

Zu den Motiven der chinesischen Führung, ihre außenwirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Bemühungen jetzt zu bündeln, merkt Sausmikat an: »Selbstverständlich verfolgt Peking mit seiner Entwicklungszusammenarbeit strategische Ziele, und das wird dort auch gar nicht geleugnet. Aber bevor wir diesbezüglich Vorwürfe erheben, sollten wir uns daran erinnern, dass auch unsere Politiken strategisch angelegt und durchaus eigennützig ausgerichtet sind.« Wer im Glashaus sitzt, solle besser nicht mit Steinen schmeißen.

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