Bleiberecht für viele

Expertenkommission soll für mehr positive Bescheide der Ausländerbehörde sorgen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vor eineinhalb Jahren stellte der Flüchtlingsrat einen Forderungskatalog auf. Darin ging es auch um die Ausländerbehörde. »Der Senat wird die Ausländerbehörde auflösen und stattdessen eine Willkommensbehörde in Zuständigkeit der für Integration verantwortlichen Senatsverwaltung schaffen.« Das taten die drei mit den meisten Stimmen gewählten Parteien SPD, LINKE und Grüne natürlich nicht. Aber sie einigten sich im Koalitionsvertrag darauf, das Amt, das weiterhin der Innenverwaltung unterstellt bleiben sollte, stärker nach »humanitären Gesichtspunkten« auszurichten.

Diese Woche nahm nun endlich die geplante Expertenkommission ihre Arbeit auf. Mit dabei sind unter anderem Vertreter des Flüchtlingsrates, der Härtefallkommission, von Migrantenorganisationen, der Liga der Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften sowie der Wirtschaft. Innensenator Andreas Geisel (SPD) leitet die Kommission.

Dennoch soll sie unabhängig arbeiten, sagt Hakan Taş, Sprecher für Innen- und Integrationspolitik der Linksfraktion. Sie werde Empfehlungen erarbeiten und der Innenverwaltung vorlegen. »Ich gehe davon aus, dass die Innenverwaltung den Empfehlungen folgen wird.«

Ziel ist laut Taş: »Mehr Menschen sollen eine Aufenthaltsperspektive ermöglicht bekommen. Sie sollen hier eine Ausbildung anfangen oder einer Arbeit nachgehen können, ohne die ständige Angst, abgeschoben zu werden.« Konkrete Vorgaben gebe die Politik der Kommission aber nicht.

Ihre Aufgabe ist es nun, die mehr als 700 Seiten Verfahrenshinweise durchzuackern, die Erläuterungen zu allen aufenthaltsrechtlichen Fragen geben: Wie viel Geld stehen den Empfängern aus welchen Töpfen zu, wer darf arbeiten, wer kann an Deutschkursen teilnehmen, wie groß muss der Wohnraum pro Person in Flüchtlingswohnheimen mindestens sein. Geklärt werden aber auch Grundlagen wie die Frage, welche Länder zum Schengen-Raum gehören. Und nicht zuletzt wird immer wieder darauf hingewiesen, wofür die Ausländerbehörde nicht zuständig ist und an welches Amt die Antragsteller stattdessen zu verweisen sind.

Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde haben innerhalb dieser Hinweise Entscheidungsspielraum. Die Expertenkommission soll nun dafür sorgen, dass die Entscheidungen der Mitarbeiter einheitlicher ausfallen - vor allem, wenn es darum geht, Aufenthaltstitel zu gewähren. Und zwar, so der Linksparteipolitiker Taş: »Wo sie zugunsten der Klienten entscheiden können, sollen sie es tun.« Das sorge letzten Endes auch für eine Entlastung der Gerichte, wenn am Ende weniger Menschen gegen die Entscheidungen der Ausländerbehörde klagen.

Geklagt wird beispielsweise, wenn die Ausländerbehörde nur eine Duldung statt eines regulären Aufenthaltstitels erteilt. In den vergangenen Jahren häuften sich vor den Verwaltungsgerichten zudem vor allem Klagen von Syrern, die seit der Verschärfung des Asylrechts im Mai 2016 immer seltener einen vollen Schutzstatus anerkannt bekommen, sondern lediglich einen subsidiären, der ihnen beispielsweise den Familiennachzug verwehrt.

17 Teilnehmer hat die Kommission laut Innenverwaltung, darunter der neue Leiter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Alexander Straßmeir, und der Chef der Ausländerbehörde, Engelhard Mazanke.

Die Vorstellungen, worüber genau die Kommission diskutieren soll, lagen Teilnehmern der ersten Sitzung am Montag zufolge noch weit auseinander. Während die einen auf den künftigen Sitzungen lieber Grundsatzdiskussionen führen wollen, wollen die anderen konkrete Verfahrenshinweise überarbeiten, hieß es.

Auf der ersten Sitzung hätten sich die Teilnehmer zunächst eine Geschäftsordnung gegeben und die Tagesordnung für das nächste Treffen bestimmt haben. Um Inhalte sei es auf der ersten Sitzung jedoch noch kaum gegangen. Geeinigt habe man sich aber darauf, das Bleiberecht für langjährig Geduldete zu thematisieren.

Der Innenverwaltung zufolge soll die Kommission einmal pro Quartal tagen und bis Ende der Legislaturperiode eingesetzt bleiben. Sie soll jährlich einen Bericht vorgelegen, Teilnehmern zufolge sei der erste allerdings erst für Ende 2019 geplant. Künftig soll statt Innensenator Geisel Staatssekretär Torsten Akman (SPD) die Kommission leiten.

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