Ist das noch Gärtnern?

Die digitale Technik hält in vielen grünen Oasen Einzug

  • Christiane Gläser, Würzburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Arbeitswoche war lang. Im Garten hat mal wieder keiner gegossen. Für Rasenmähen war sowieso keine Zeit. Und am Freitag sind Freunde zum Grillen eingeladen. Dieses Szenario treibt so Manchem Schweißperlen auf die Stirn. Für viele Menschen ist das eigene Fleckchen Grün oft mit Stress und Druck verbunden. Dabei hatte man sich den Garten doch angelegt, um entspannen zu können. Diese Zwickmühle haben Gartenbau- und Gartentechnikbranche seit einigen Jahren für sich genutzt. So gehören mittlerweile technische Systeme zur Gartenplanung ganz selbstverständlich dazu, die den Garten quasi im Alleingang als blühenden Rückzugsort erhalten können.

Alexander Seufert tippt auf seinem Telefon auf den Button »Regner Rasen Mitte«. Wie von Geisterhand kommen vier kleine Rasensprenger aus der perfekt gewachsenen Rasenfläche und beregnen rotierend das Grün. Ein weiterer Klick des Gartenbaumeisters auf die Handy-Schaltfläche »Chill out« und aus den im Beet versenkten Outdoor-Lautsprechern klingt leise Musik. In einer Ecke der Rasenfläche wartet der Mähroboter auf seinen Einsatz und sogar die kleinen Außenleuchten können über das Smartphone angesteuert werden.

Diese Variante eines »zeitsparenden Gartens« steht so auf dem Landesgartenschau-Gelände in Würzburg. Er ist einer von mehreren Themengärten. Sie sollen die aktuellen und kommenden Gartentrends zeigen. Der von Seufert und dem Würzburger Architekten Claus Arnold gestaltete Garten zeigt, dass der digitale Garten längst keine Zukunftsvision mehr ist. »Die Menschen legen mehr Wert auf ihren Garten, sie haben aber weniger Zeit dafür. Das ist die Gemengelage, die den Trend derzeit befeuert«, sagt Seufert dazu.

Das ließen sich einige auch durchaus was kosten. Denn billig ist der Umstieg vom analogen zum digitalen Garten nicht, erklärt der Experte. Konkrete Zahlen kann er aber nicht nennen, das hänge immer stark vom Kunden und seinem Garten ab. Etwa 7,87 Milliarden Euro Umsatz macht die Branche der Garten- und Landschaftsbauer im Jahr. Mehr als die Hälfte dieses Umsatzes kommt dem Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) zufolge von privaten Auftraggebern. »Die Aufträge von privat haben in den vergangenen Jahren ganz stark zugenommen. Die Leute haben mehr Geld und gleichzeitig weniger Zeit für ihren Garten«, sagt BGL-Präsidiumsmitglied Paul Saum dazu. Deutschlandweit gibt es mehr als 13 000 Betriebe.

Auch die Planung der digitalen Gärten ist mittlerweile digital möglich: Während digitales Aufmessen schon längst Alltag ist, ist die 3D-Präsentation mittels Virtual-Reality-Brille der neueste Trend. »Ich kann über dem geplanten Garten Wolken ziehen lassen oder ein Feuer anmachen - einfach alles ist denkbar. Das vermittelt die Emotionen noch besser, die später mit dem zeitsparenden Garten einhergehen sollen«, sagt Saum.

Doch Zeitersparnis sei nicht der einzige Grund für den Umstieg. »Auch Nachhaltigkeit ist bei vielen ein Thema«, sagt Seufert. Dank der Technik können Wasser und Strom gespart werden. »Der Beregnungscomputer hat einen Internetzugang und ruft selbstständig die Wetterdaten ab.« Die Anlage schaltet sich erst dann ein, wenn Wasser wirklich nötig ist. Steht Regen an, bleibt der Rasensprenger aus. »Das Smarte der Technik ist in den vergangenen Jahren dazu gekommen. Die Anlagen werden cleverer.«

Das sei auch ein Grund dafür, dass der Trend des »Smart Gardening« immer mehr in der Gesellschaft ankomme. Wobei Seufert dennoch auch Verbesserungspotenzial sieht. »Die verschiedenen Systeme sprechen noch nicht gut genug miteinander.«

Martin und Ingrid Scharl aus der Oberpfalz finden den smarten Garten klasse. »Gerade mit zunehmendem Alter, wenn der Körper nicht mehr so recht mitmacht, und für junge berufstätige Leute ist das schon interessant«, sagt die 56-Jährige. Die beiden Gartenschau-Besucher haben bereits einen Mähroboter. Gegen mehr Hilfe durch Technik im Garten hätten sie nichts. »Ich finde, das ist eine super Sache. So kann man den Garten einfacher genießen.« Dieser Aspekt ist auch Gartenbaumeister Paul Saum vom Bundesverband wichtig. Denn bei aller Digitalisierung müsse immer auch Raum für Seele und Geist bleiben. Damit man bei aller Effizienz »die Natur noch spüren kann«, wie er sagt.

Natürlich hat »Smart Gardening« auch seine Grenzen. Gartenbaumeister Seufert: »Unkraut jäten und Hecke schneiden - das muss der Gartenbesitzer schon noch selbst machen. Aber vielleicht kommt das in den nächsten Jahren auch noch.«

Der Leiter der bayerischen Gartenakademie, Andreas Becker, geht indes davon aus, dass es soweit nicht kommen wird. Denn die richtige Entspannung und Entschleunigung komme eben doch beim Graben, Buddeln und Harken, ist der Agrarwissenschaftler überzeugt. »Rein in die Erde als Gegenbewegung zur Digitalisierung«, sagt Becker. »Der Stress fällt einfach am besten weg, wenn ich in den Garten gehe, die schnelle, dynamische Welt hinter mir lasse und in Kontakt mit Erde, Natur, Insekten und Pflanzen trete.« dpa/nd

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