Warten aufs nächste Hochwasser

Ein Jahr nach den Überschwemmungen in der Harzregion fordern Kommunen Hilfe vom Land

  • Dörthe Hein, Langenstein
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Jahr nach dem Harz-Hochwasser sind noch längst nicht alle Schäden beseitigt. Brücken, Flussläufe, Radwege und Straßen zeugen noch immer von der Macht der Wassermassen, die dort nach tagelangen Regenfällen entlang rauschten. Eine Frau kostete das Hochwasser das Leben: Die 69-Jährige war in Wernigerode in die Fluten der Holtemme gefallen und konnte nicht gerettet werden.

Neben der Beseitigung der Schäden dringen die betroffenen Kommunen auf einen verbesserten Hochwasserschutz. Das betrifft etwa den üblicherweise friedlichen Goldbach, der im Juli 2017 riesige Wassermassen durch Langenstein und Harsleben beförderte und für enorme Überschwemmungen sorgte. Gemeinden und auch der Landkreis Harz wünschen sich mehr Unterstützung vom Land.

»Am Verlauf des Goldbachs ist noch immer nicht viel gemacht, eigentlich noch gar nichts«, sagte der Langensteiner Ortsbürgermeister Jürgen Meenken (CDU). Noch immer sei der Bach gezeichnet von allem, was die Wassermassen mitbrachten. Der Flusslauf sei verändert. Ein vom Wasser angegriffener Radweg sei behelfsmäßig hergerichtet worden. Für weitere Arbeiten würden erst einmal Angebote eingeholt.

Auch der nötige Neubau der Teufelsbachbrücke zwischen Heimburg und dem Kloster Michaelstein muss warten. Die Brücke ist gesperrt, weil sie nicht mehr tragfähig ist. Das Hochwasser legte die Fundamente frei und unterspülte sie teils, wie der Landkreis Harz mitteilte. Zunächst kann wegen mangelnder Gelder nur bis 2019 geplant werden. »Die Baumaßnahme kann frühestens im zweiten Quartal 2020 beginnen, soweit Mittel zur Verfügung stehen. Eine finanzielle Unterstützung steht nicht in Aussicht«, hieß es. Die Beseitigung der Hochwasserschäden müsse aus dem laufenden Kreishaushalt finanziert werden, das gehe zu Lasten anderer Aufgaben.

In Harsleben, wohin der Goldbach von Langenstein und Halberstadt aus fließt, sind die Schäden soweit behoben, wie die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Vorharz, Ute Pesselt (parteilos), sagte. »Das Wesentlichste ist mit Unterstützung der Bürger wieder in die normalen Bahnen geraten, die Menschen sind wieder zu ihrem Alltag zurückgekehrt.«

Wie auch Meenken macht sich Pesselt Gedanken um die Verbesserung des Hochwasserschutzes. Für den seien die Gemeinden an kleinen Bächen und Flüssen selbst zuständig, an den großen Flüssen wie Elbe und Saale ist es das Land. Pesselt gibt aber zu bedenken: »Wir haben nicht die Mittel für Hochwasserschutzmaßnahmen wie am Rhein.« Bis heute belasteten die Folgen des Hochwassers den Haushalt erheblich. Pesselt regt einen landesweiten Fonds an.

Aus dem Umweltministerium in Magdeburg heißt es dazu, ein zusätzlicher spezieller Fonds sei derzeit nicht vorgesehen. Nach dem Hochwasser 2013 seien für die Förderperiode 2014 bis 2020 schon 20 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung für den kommunalen Hochwasserschutz bereitgestellt worden. Bis zu 80 Prozent der Bau- und Planungskosten könnten Kommunen bekommen. An den Gewässern zweiter Ordnung wie dem Goldbach blieben jedoch die Gemeinden für den vorbeugenden Hochwasserschutz zuständig.

»Wir sind seit über einem Jahr im Gespräch über einen Hochwasserschutz, der ineinander greift«, sagte Pesselt, die auch Kreisvorsitzende des Städte- und Gemeindebundes im Harz ist. Bislang sei nichts geschehen. »Planung und Planfeststellungsverfahren dauern zu lange. Dabei ist nach dem Hochwasser doch vor dem Hochwasser«, sagte Pesselt. Es gehe darum, die Bürger zu schützen.

Der Langensteiner Bürgermeister Meenken betonte, die Gemeinden seien ja untereinander im Gespräch, es seien aber bürokratische Hürden zu überwinden. Der Ansatz sei, dass die Gemeinden Blankenburg, Halberstadt und Vorharz eine Gemeinschaft gründen, die überhaupt Anträge stellen kann. Meenkens Idee ist, ein Rückhaltebecken für den Goldbach zu schaffen. Ein einst bestehendes sei vor mehreren Jahren als Ausgleichsmaßnahme dem Bau der Bundesstraße 6n zum Opfer gefallen.

Meenken wie auch Pesselt fordern mehr Unterstützung. Auch wenn das Land Sachsen-Anhalt gesetzlich nicht in der Verantwortung steht für den Hochwasserschutz, sieht Pesselt doch eine Fürsorgepflicht des Landes den Gemeinden und den Bürgern gegenüber. »Wir sollten über einen Neustart nachdenken.« Es müsse eine genaue Analyse geben und dann einen Blick darauf, wo die gebündelte Kompetenz liege. Meenken betonte, dass vieles in den Gemeinden ehrenamtlich laufe und man auch deshalb die Unterstützung des Landes brauche.

Die Stadt Wernigerode hat im Mai als Konsequenz aus dem Hochwasser beschlossen, eine Wasserwehr zu gründen. »Es werden damit neue interne Strukturen geschaffen, die in der Hochwasser-Krise greifen.« Grundsätzlich habe sich beim Hochwasser 2017 gezeigt, dass die vorhandenen Strukturen in Wernigerode gut und schnell funktionierten.

Den Betroffenen des Harzhochwassers vom 24. bis 26. Juli 2017 hatte das Land Soforthilfen gewährt. Wem ein Schaden von mehr als 5000 Euro entstanden war, erhielt je Person 500 Euro, pro Haushalt höchstens 2500 Euro. Die Regelung hatte auch für die Betroffenen von vorangegangenen Schlammlawinen im Saale- und Burgenlandkreis gegolten. Zusammen hatte das Land rund 400 000 Euro Soforthilfe für mehr als 370 Fälle ausgezahlt. dpa/nd

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