Fliegendes Auge der Feuerwehr

Niedersachsen will mit Flugüberwachung frühzeitig Brände erkennen

  • Kristina Wienand, Hildesheim
  • Lesedauer: 4 Min.

33 Grad, helle Schleierwolken, dahinter zeichnet sich das Hellblau des Himmels ab. »Super Sicht heute«, sagt Hartwig Martens vom Feuerwehrflugdienst. Er und seine Kollegen fliegen im Sommer über große Gebiete in Niedersachsen, um frühzeitig Brände vor allem in Wäldern und Mooren zu erkennen. Bei guten Verhältnissen sehen sie aus den Fenstern ihrer Cessna bis zu 70 Kilometer weit und können schnell aufsteigende Rauchsäulen erkennen.

Das sei aus der Luft einfacher als vom Boden aus, erklärt Martens. »Über dem Wald, der von oben ja dunkel aussieht, können wir den hellen Rauch gut erkennen.« Wenn die Feuerwehr dorthin fahre, könne sie von unten aus teilweise 400 Meter entfernt noch keinen Rauch sehen. Denn er setze sich vor einem hell bewölkten Himmel kaum ab.

Vor über 50 Jahren wurde der Feuerwehrflugdienst gegründet und ist, so der Landesfeuerwehrverband, in dieser Form einmalig in Deutschland. Das Team fliegt nicht täglich, sondern nach Bedarf. Wenn der Waldbrandgefahrenindex eine der beiden höchsten Stufen - vier oder fünf - anzeigt, kann die zuständige Polizeidirektion Lüneburg ein Überfliegen bestimmter Gebiete anfordern.

Eines der beiden dafür genutzten Flugzeuge ist in Lüneburg stationiert, das andere in Hildesheim. Zu dritt macht sich das Team dann auf den Weg. Die Standardroute ist knapp 300 Kilometer lang. Damit können sie eine etwa 2400 Quadratkilometer große Region überwachen.

»Guck mal da! Auf 13 Uhr. Ist das eine Landmaschine?«, fragt Pilot Martens seinen Feuerwehrkollegen Maik Buchheister, der rechts neben ihm sitzt. Ein prüfender Blick. »Ja, da macht nur einer sein Feld«, sagt Buchheister. Während des Flugs steht die Crew in Kontakt mit der Zentrale in Lüneburg, von wo ihnen mögliche Verdachtspunkte übermittelt werden. »Manche stellen sich bei näherem Hinsehen aber als Fehlalarm heraus«, beschreibt Martens, der jahrelang als Fluglotse tätig war.

An einem der heißesten Tage des Jahres geht es in der rot-weißen Maschine von Hildesheim in Richtung Harz. Dort werden riesige Waldgebiete kontrolliert. Bei jedem Kontrollflug ist ein Mitarbeiter der niedersächsischen Landesforsten dabei. Er verfolgt auf einem Tablet die Route und kann im Fall eines Brandes direkt die Koordinaten durchgeben. »Wir betrachten uns als fliegendes Auge der Feuerwehr«, so Maik Buchheister vom Landesfeuerwehrverband.

Potenzielle Waldbrandgebiete gibt es in Niedersachsen vor allem in den Mooren, Wäldern und in der Heide im Nordosten. Dort wüteten 1975 die größten Brände der Nachkriegsgeschichte. Rund 8000 Hektar fielen dem Feuer damals zum Opfer. Infolge der Katastrophe wurde der Feuerwehrflugdienst weiter ausgebaut. Zwischenzeitlich waren sogar mehr als die zwei aktuellen Kleinflugzeuge im Einsatz. Das Land stellt für den Feuerwehrflugdienst pro Jahr 75 000 Euro zur Verfügung, vor allem um einsatzbedingte Kosten zu decken.

Wenn die Crew einen Brand entdeckt, meldet sie der örtlichen Feuerwehrleitstelle den Ort. Die Feuerwehr kann dann mit Löschfahrzeugen anrücken. »Wir würden gleichzeitig über dem Gebiet kreisen - notfalls zwei Stunden bis der Sprit zu neige geht«, erklärt Martens. Von oben können sie die Einsatzkräfte am Boden über Wege zu dem Brand lotsen oder zum Beispiel sagen, in welche Richtung sich das Feuer ausbreitet. »Das ist für die Kollegen unten sehr nützlich.«

Das Land verlässt sich bei der Kontrolle von Waldbränden jedoch nicht allein auf die Flüge. Mitarbeiter werten in der Waldbrandzentrale in Lüneburg Bilder von knapp 20 Kameras aus, um Rauch zu entdecken. Von Jahresanfang bis Ende Juli musste das Team wegen 348 Bränden die Feuerwehr alarmieren - im gesamten Vorjahr waren es 163 Mal. Die Brandgefahr ist auch in vielen anderen Regionen derzeit enorm hoch. An diesem Tag zeigte der Waldbrandgefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, im Nordosten Deutschlands und in Teilen Niedersachsen die höchste Stufe 5 an.

Feuerwehren sind im Dauereinsatz. So beschäftigte ein Brand am Autobahndreieck Potsdam die Feuerwehr kürzlich tagelang. Die Ursache für die Flammen auf 50 Hektar ist unklar - schon eine aus dem Fenster geworfene Zigarette kann Waldbrände anfachen. In Mecklenburg-Vorpommern wurden nun die ersten Wälder für Besucher gesperrt. Wegen der hohen Brandgefahr dürfen in zwei südlichen Landkreisen die Waldwege nicht mehr verlassen werden.

Vorsorge wird auch woanders groß geschrieben: In Bayern wird per Kleinflugzeug kontrolliert. In diesem Sommer haben die Einsatzkräfte schon neun Waldbrände und 23 Flächenbrände entdeckt. Brandenburg setzt auf moderne Kameras. Ab Warnstufe 3 werden die Wälder mit 107 Kameras überwacht. Steigt Rauch auf, registrieren das die »Fire Watch«-Systeme. Sie leiten das an sechs Waldbrandzentralen weiter. In Sachsen wäre es möglich, aus der Luft zu überwachen, aber nicht nötig, so ein Sprecher des Staatsbetriebes Sachsenforst. Die Waldgebiete werden automatisch mittels Kameras analysiert.

Nach dem ersten Flug an diesem Tag kann sich die Crew am Flugplatz Hildesheim erst mal erholen. Waldbrände haben sie diesmal nicht gesichtet. Am späten Nachmittag werden sie zu einem zweiten Kontrollflug aufbrechen. Martens sagt: »Ab dem Nachmittag ist es wahrscheinlicher, dass wir Brände entdecken.« dpa/nd

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