Richtungswechsel in Bogota

Rechtskonservativer Duque als Präsident Kolumbiens vereidigt / Landesweite Proteste

  • David Graaff, Medellin
  • Lesedauer: 3 Min.

»Schau«, sagt Sara, »ich bin 22 Jahre alt und habe noch nie in einem Land in Frieden gelebt.« Die junge Studentin ist eine von rund 1000 TeilnehmerInnen eines Demonstrationszugs, der sich an diesem 7. August - dem Tag, an dem Kolumbien alle vier Jahre seine Präsidenten vereidigt - durch die Großstadt Medellin schlängelt. Landesweit war zu Kundgebungen aufgerufen worden. Sie forderten die Fortsetzung des Friedensprozesses und erinnerten daran, dass fast im Wochentakt soziale Aktivisten getötet werden. Mehr als 300 waren es seit dem Abschluss des Friedensabkommens mit den FARC-Rebellen Ende 2016.

Für viele Demonstranten bedeutet die Amtsübernahme des 42-jährigen Iván Duques vor allem die Rückkehr des »Uribismo« an die Macht - jener politischen Strömung, deren Leitfigur Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002-2010) ist, und deren neoliberale, repressive, teils wertkonservative Politik junge Leute wie Sara ablehnen. Mit wütenden Rufen machten sie am Tag der Vereidigung ihren Unmut deutlich.

Duque bemühte sich in der Hauptstadt Bogota in seiner Antrittsrede um konziliante Töne und rief die Kolumbianer zur Versöhnung auf. »Ich lade euch ein, einen großen Pakt für Kolumbien zu schließen, die Zukunft aufzubauen. Mögen über unseren Differenzen die Dinge stehen, die uns einen«, sagte der 42-jährige mit Blick auf die politischen Spannungen in der kolumbianischen Gesellschaft. Sie haben sich vor allem am Friedensabkommen mit der FARC entzündet und setzten sich im Wahlkampf fort. In einer Stichwahl Ende Juni siegte dann Duque gegen den linken Kandidaten Gustavo Petro.

Nun stellte er das von seiner Partei scharf kritisierte Friedensabkommen nicht gänzlich in Frage und betonte, er glaube an die Demobilisierung, Entwaffnung und Wiedereingliederung der Guerilla. »Wir alle wollen den Frieden.« Gleichzeitig kündigte Duque jedoch wie erwartet Korrekturen von »strukturellen Fehlern« an. Politische Mehrheiten dafür muss er sich allerdings im Kongress erst noch organisieren. Klar ist, dass die Regierung den Kriegskurs gegen dissidente FARC-Gruppen und Drogenbanden, die teils als paramilitärische Strukturen wirken, fortführen wird - mit Unterstützung der USA, wie der Präsident ankündigte. Die Trump-Regierung drängt seit längerem auf einen harten Kurs gegen den Drogenhandel.

Ob der Kriegskurs auch für die kleinere ELN-Guerilla gilt, ist unklar. Duque will sich in den kommenden 30 Tagen unter anderem mit den Vereinten Nationen und internationalen Beobachtern beraten, ob Friedensgespräche fortsetzt werden. In diesem Zusammenhang könnte auch Tom Koenigs (Grüne), der als Sonderbeauftragter für den Frieden der Bundesregierung die Gespräche begleitet, vom neuen Staatsoberhaupt gehört werden. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, der Koenigs in seiner Zeit als Außenminister eingesetzt hatte, rief Duque in seiner Gratulationsbotschaft zur Fortsetzung des Friedensprozesses auf. Deutschland stehe »bereit, Sie und Ihre Regierung bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe zu unterstützen«.

Zahlreiche Staatschefs Lateinamerikas, darunter auch Boliviens linker Präsident Evo Morales, nahmen an der Feier zur Amtseinführung teil. Nicht einmal einen Vertreter schickte hingegen Nicolás Maduro, Präsident des Nachbarlandes Venezuela. Die Beziehungen der beiden Länder dürften unter der neuen Rechtsregierung in Kolumbien schwieriger werden. Tausende Venezolaner sind in den vergangenen Jahren vor der Wirtschaftskrise teils illegal nach Kolumbien geflüchtet. Maduro hatte erst am Wochenende Ex-Präsident Santos beschuldigt, hinter einem versuchten Anschlag gegen ihn zu stecken.

Für Sara und die Demonstranten spielten diese internationalen Beziehungen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Ihr wichtigster Punkt ist: »Wir wollen nicht wieder zum Krieg zurück.«

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