Klimaaktivisten schlagen Wurzeln im Rheinland

Beim diesjährigen Protestcamp geht es um bessere Vernetzung mit Anwohnern und künftige Strategien

  • Sebastian Weiermann, Erkelenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Samstagnachmittag auf einem Feld bei Erkelenz: Das diesjährige Klimacamp im Rheinland ist im Aufbau. Neuankömmlinge werden erst mal zur Küche geleitet; dort gibt es noch Pizza. 15, 20 Menschen sitzen rund um den mobilen Ofen und sprechen darüber, was noch getan werden muss. Das »Mitmach-Zelt« soll auf jeden Fall noch am Samstag aufgebaut werden, mehr Toiletten am Abend stehen. Viele Menschen kennen sich von den Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung, begrüßen sich euphorisch. Aber auch neue Menschen werden herzlich begrüßt. Ein junger Mann, der alleine zum Camp gekommen ist, steht im Willkommen-Zelt, spricht mit anderen und begrüßt Neuankömmlinge.

Johanna Winter und Maja Rothe, die schon länger in der Bewegung aktiv sind, kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit. Das Programm habe in diesem Jahr, wie sie erläutern, drei Schwerpunkte: die Vernetzung mit Anwohnern, eine Strategiedebatte für die Bewegung und die Reflexion der eigenen Strukturen. »Wir versuchen dieses Jahr, mit den Menschen hier in der Region noch enger in Kontakt zu treten, um unsere Bewegung auf wirklich breite Beine zu stellen«, sagt Johanna Winter, die die Klimabewegung »im Wachsen« sieht. »Wir wollen eine lokale Verankerung erreichen und im Rheinland Wurzeln schlagen.« Seit Anfang des Jahres habe man sich etwa monatlich mit Anwohnern getroffen und zusammen das Programm für das Camp ausgearbeitet. Es soll ein Gebet am Grubenrand geben, Geschichten des lokalen Widerstands sollen erzählt werden, und von Umsiedlung betroffene Dorfbewohner sollen über ihre Erlebnisse berichten.

Gegenseitiges Vertrauen sei ein zentraler Punkt bei der Zusammenarbeit. Und das sei in den letzten Jahren gewachsen, berichten Winter und Rothe. Bei einer Infoveranstaltung vor wenigen Wochen in Keyenberg - einem Dorf, das dem Tagebau weichen soll - seien zwei Polizisten gewesen. Die Camp-Organisatoren hätten sich mit ihrer Anwesenheit einverstanden erklärt, es handelte sich ja um »eine öffentliche Infoveranstaltung«. Ein Mann, der bereits umgesiedelt wurde, habe die Anwesenheit der Polizei zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, dass die Menschen in der Region gerade wegen der so hohen Polizeipräsenz nicht zum Camp kommen würden. Sein Vorschlag: »ein polizeifreier Korridor« rund ums Camp. Winter meint lachend, einen solchen Vorschlag habe »eher von jemandem aus einer linken Politikgruppe erwartet«. Im Rheinland merke man aber zunehmend, dass Anwohner und Aktivisten ähnliche Ansichten haben.

Ein anderer zentraler Punkt beim Klimacamp ist, bei einer Konferenz zu diskutieren, wie sich die Bewegung selbst strukturiert. Maja Rothe erzählt von der »Radlader-Revolte« im vergangenen Jahr, als »einige FLTI-Personen« (Abkürzung für Frauen, Lesben, Trans-, Intersexuelle) genug davon hatten, dass nur Männer mit dem Radlader übers Camp fuhren, und dann durchsetzten, dass nur noch FLTI mit der Baumaschine arbeiteten. Maja Rothe versteht das Camp als »feministischen Ort«. So werde die Kinderbetreuung von Männern übernommen, die Pressearbeit hingegen von Frauen. Es geht beim Camp also auch darum, althergebrachte Rollenmodelle zu reflektieren und zu überwinden.

Bei einer zweiten Konferenz soll es darum gehen, wie die Klimagerechtigkeitsbewegung insgesamt aufgestellt ist, mit welchen Strategien sie in den nächsten Jahren weiterarbeiten will und welche Ansatzpunkte es für den Widerstand gibt. Sprecherin Rothe hofft, dass sich viele unterschiedliche Perspektiven in der Debatte zeigen - von antirassistischen Aspekten über feministische bis zur Landwirtschaftsgerechtigkeit.

Die Außenwirkung des Klimacamps im Rheinland dürfte in diesem Jahr dagegen schwächer ausfallen. Die geplanten Debatten könnten allerdings das Zeug dazu haben, die Klimagerechtigkeitsbewegung voranzubringen und nachhaltig wachsen zu lassen.

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