Eine Stadt hat sich neu erfunden

Am Wochenende wird in Wittenberge an der Elbe der 16. Brandenburg-Tag gefeiert

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen kleinen Strich hat der Sommer dann doch durch die Rechnung des Wittenberger Landesfestes gemacht: Die Elbe ist so wasserarm, dass ein »Highlight«, das Fahrgastschiff »Kaiser Wilhelm«, nicht teilnehmen kann, wenn es am Sonnabend für den 16. Brandenburg-Tag heißt: »Leinen los«.

»Hier sind Wirtschaft und Infrastrukturentwickler gefragt«, unterstrich Bürgermeister Oliver Hermann, als er am Montag - fünf Tage vor Beginn - in der Potsdamer Staatskanzlei die Besucher aus nah und fern einlud. Die Elbe sei auf der gesamten Länge gut schiffbar, nur eben an einer »Schwachstelle« nicht, am nördlichen Abschnitt Dömitz. Der müsse ausgebaut werden, um der Elbe-Schifffahrt wieder die berühmten »Handbreit Wasser unterm Kiel« zu verschaffen.

Ob nun die »Kaiser Wilhelm«, die vom Brandenburg-Tag abgeschnitten in Lauenburg liegt, ein so großer Verlust ist, steht dahin, zumal das Programm des zweitägigen Festes am 25. und 26. August in der Tat eine Party der Superlative verspricht. Nach dem Reformationsfest im sachsen-anhaltischen Wittenberg im vergangenen Jahr zieht nun Wittenberge mit dem brandenburgischen Landesfest nach. Auf 50 000 Besucher hofft Bürgermeister Oliver Hermann, wenn es mehr als 80 000 werden, dann werde es eng, kündigte er an. Und das, obwohl das Festgelände mit seinen vier Festbereichen »wirklich riesig« sei. Aktiv geworben werde im 100-Kilometer-Umfeld, das heißt bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hinein, teilte das Stadtoberhaupt mit. Für ihn sei es eine besonderen Freude, eine Kommune zu präsentieren, die den »Durchbruch« geschafft habe. Als er vor 18 Jahren dort als Leiter des Wittenberger Stadtmuseums angefangen habe, sei dies auf dem »Tiefpunkt« der Stimmung gewesen. Seine 700-Jahr-Feier habe Wittenberge im Jahre 2000 unter düsteren Voraussetzungen begangen. Damals sagten Eltern zu ihren Kindern: »Wenn Du was werden willst, geh von hier fort.«

Von vier Wittenberger Industrieschwerpunkten aus DDR-Tagen waren drei - das Nähmaschinenwerk, das Kinderwagenwerk und die Ölmühle - zu diesen Zeitpunkt leer und verlassen. Inzwischen habe die Stadt wieder 1500 Arbeitsplätze hinzu gewonnen, die Hälfte davon Industriearbeitsplätze. Zwar werde man nicht mehr die 30 000 Einwohner erreichen, über die Wittenberge 1990 verfügt habe, und die Stabilität sei durchaus noch eine fragile, doch seien die Aussichten nicht so schlecht, die gegenwärtigen 17 500 zu halten. »Die Kindergärten und die Schulen sind voll.« Bürgermeister Hermann verwies vor allem auf touristische Angebote, wie das Vier-Sterne-Hotel in der alten Ölmühle am Elbe-Radweg. Wittenberge sei heute wieder eine Stadt der Einpendler, nicht mehr eine der Auspendler. Von einem neuen Selbstbewusstsein werde der Brandenburg-Tag künden, und ein »echter Meilenstein« der Stadtentwicklung werden, versprach er. Zehn Bühnen seinen aufgebaut, am Festumzug werden sich 1500 Menschen beteiligen. Ganz bewusst habe das Festkomitee als Eingangsmotto gewählt: »Die Prignitz begrüßt ihre Gäste.« Kultur-, Feuerwehr und Karnevalsvereine des gesamten Landkreises präsentieren sich.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von der Vorfreude, die ihn angesichts des vielfältigen Programms erfasst habe. Der Brandenburg-Tag sei eine »richtige Tradition« geworden, nun habe er es erstmals auch in die Prignitz geschafft. Angesichts der bewältigten Probleme in den vergangenen Jahren sei verständlich und nachvollziehbar, wie stolz die Wittenbergerinnen und Wittenberger auf ihre Heimatstadt sind. »Die Stadt hat sich neu erfunden«. Woidke empfahl den Gästen den großen Festbereich »Brandenburg macht Schule«. Er sagte: »Hier zeigt die brandenburgische Bildungslandschaft ihre ganze Vielfalt.« Kitas, Grundschulen, Gymnasien, Universitäten und Berufsschulen gestatten dort Einblicke in ihre Tätigkeit.

Für Gäste aus anderen Landesteilen und Berlin wird es mit dem Regionalexpress RE 2 und RE 6 eine stündliche Anbindung nach Wittenberge geben. 13 gesponsorte Reisebusse sollen zusammen 500 Gäste exklusiv nach Wittenberge bringen.

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