Mattstedt: »Kein Ort für Nazis«

Rechtsrockfestival mit juristischen Mitteln verhindert / Mobile Beratung Thüringen: Ernsthafter Willen der Behörden erkennbar

  • Lesedauer: 4 Min.

Weimar. Thüringen hat ein Konzert von mehreren Tausend Neonazis in dem kleinen Dorf Mattstedt mit juristischen Mitteln verhindert. Nachdem das Verwaltungsgericht Weimar ein von den Kommunen mit Unterstützung des Landes erlassenes Nutzungsverbot für eine Industriebrache bestätigte, zeigte sich die rot-rot-grüne Landesregierung am Sonnabend erleichtert. Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) und Innenminister Georg Maier (SPD) sprachen von einem Etappensieg im Kampf gegen Rechts, dem weitere folgen müssten. Allerdings suchte sich die rechte Szene prompt einen Ausweichort in Thüringen.

Etwa 400 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben zu einem Neonazi-Konzert auf einem Privatgrundstück in der Gemeinde Kloster Veßra im Kreis Hildburghausen. Es sei von einem bekannten Vertreter der rechtsradikalen Szene in Thüringen kurzfristig als Versammlung auf eigenem Grundstück angemeldet worden. Vier Bands, die für Mattstedt angekündigt waren, würden in dem Südthüringer Ort spielen. Die Polizei war vor Ort, um gegen mögliche Rechtsverstöße vorzugehen.

Eine spontane Ersatzveranstaltung im sachsen-anhaltischen Allstedt wurden dagegen unterbunden. Das Treffen der Rechtsextremen war für Samstagabend auf einem Privatgrundstück im Ortsteil Sotterhausen geplant, wie ein Polizeisprecher am Sonntag sagte. Alle Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass es als Ersatz für die verbotene Veranstaltung in Mattstedt organisiert wurde. Allstedt liegt nahe der Landesgrenze zu Thüringen. Der Kreis Mansfeld-Südharz erließ daraufhin am Samstag eine Verbotsverfügung.

Thüringen war bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz für große Konzerte der rechten Szene - in diesem Jahr unter anderem im südthüringischen Themar.

»Wir haben erstmals bei der Verhinderung einer solchen Veranstaltung einen juristischen Sieg errungen«, äußerte Maier nach einem Gottesdienst in Mattstedt im Weimarer Land. Ramelow sagte: »Wir sind heute erst eine Etappe weitergekommen, aber sind noch lange nicht über den Berg, über den wir müssen - dass Thüringen kein Aufmarschgebiet für Hassgesänge, für Altnazis, Neonazis, Unverbesserliche und Holocaustleugner sein darf.«

Zu dem Gottesdienst kamen neben Ramelow, mehrere Minister, CDU-Landeschef Mike Mohring sowie Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker. Bürgerbündnisse, die evangelische Kirche und Parteien hatten in Erwartung des Konzerts zu Protesten aufgerufen. Sie feierten nach dem Gottesdienst ein kleines »Fest der Demokratie« - rund 400 Menschen zogen nach Veranstalterangaben mit Transparenten durch das Dorf.

Der Sprecher des Bündnisses Buntes Weimarer Land, Max Reschke, zeigte sich zufrieden nach der Absage. »Wir wollten zeigen, dass wir ein Dorf sind, das sich gegen Nazis stellt«, sagte Reschke.

Der ehrenamtliche Bürgermeister von Mattstedt, Andreas Schuchert (CDU), zeigte sich wie andere in einem T-Shirt mit der Aufschrift »Ich für Mattstedt. Kein Ort für Nazis«. Kommunen und Land hätten an einem Strang gezogen, »sonst hätte das nicht funktioniert«. Mohring plädierte dafür, auch bei anderen geplanten rechten Aufmärschen »alle rechtlichen Register zu ziehen«.

Die Kommunen hatten die Versammlung der Rechten nicht verboten, sondern die Nutzung eines brachliegenden Industriegeländes untersagt, weil die Konzertveranstalter nicht mit allen Eigentümern, darunter einer Immobiliengesellschaft des Bundes, Verträge hatten.

Ramelow und Maier machten deutlich, dass es sich um einen rechtlich speziellen Fall handelte. Notwendig sei weiterer Protest aus der Mitte der Gesellschaft, damit »diese Plage wieder aus Thüringen verschwindet«, äußerte der Innenminister.

Die Polizei, die wegen des Konzerts mit einem großen Aufgebot und Unterstützung aus anderen Bundesländern im Einsatz war, wies an Kontrollstellen anreisende Angehörige der rechten Szene zurück. Es seien eine Reihe von Platzverweisen erteilt worden, sagte eine Polizeisprecherin auf Anfrage. Eine starke Anreisewelle von Neonazis in Richtung Mattstedt habe es nach der Gerichtsentscheidung nicht gegeben. Laut Innenminister war die Polizei am Sonnabend landesweit präsent, um ein mögliches Ersatztreffen der rechten Szene an einem anderen Ort in Thüringen zu verhindern.

Das Verwaltungsgericht Weimar hatte am Freitagabend einen Eilantrag der Konzert-Veranstalter gegen das Nutzungsverbot der Industriebrache durch die Gemeinde Ilmtal-Weinstraße abgelehnt. Sie durften damit die Flächen in Mattstedt nicht betreten und dürfen ihre Technik auch erst am Montag abbauen. Die Gemeinde hatte kurzfristig das mehreren Eigentümern gehörende Gelände zum Schutz vor möglichen Beschädigungen sichergestellt und in amtliche Verwahrung genommen. Gerechnet worden war mit bis zu 3000 Neonazis.

Die Mobile Beratung in Thüringen (Mobit) begrüßte das von der Landgemeinde Ilmtal-Weinstraße, zu der Mattstedt gehört, ausgesprochene Betretungsverbot für das Konzertgelände. Im Vorgehen der Behörden erkenne er den ernsthaften Willen, den jahrelangen zivilgesellschaftlichen Protest gegen neonazistische Konzerte ernst zu nehmen und konsequent gegen derartige Veranstaltungen vorzugehen, erklärte Christoph Lammert, Berater bei Mobit.

Bei aller berechtigten Freude, dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsrock in Thüringen nicht beendet sei. »So wichtig dieses Signal auch sein mag, dass Konzerte mit menschenverachtender Musik doch verhindert werden können, findet die übergroße Zahl an Rechtrock-Konzerten doch ungestört statt, werden Einnahmen generiert und die Szene weiter gefestigt«, sagte der Mobit-Berater. Agenturen/nd

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