Vom Aussteiger zum Bio-Unternehmer

Eigentlich wollten sie nur Selbstversorger werden, doch dann kam alles ganz anders - ein Bericht aus Thüringen

  • Filip Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut zehn Jahre ist es her, als Sabine und Peter Meister den Entschluss fassten, ihre Berufe an den Nagel zu hängen. »Wir sind damals 40 geworden und stellten uns eine Zukunft als Aussteiger mit eigenem Selbstversorgerhof vor«, berichtet Sabine Meister. Während die heute 50-Jährige zuvor im Einzelhandel tätig war, betrieb Ehemann Peter (51) gemeinsam mit seinem Bruder ein Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen, aus dem er sich komplett zurückzog. Das passende Grundstück zur Verwirklichung ihrer Pläne fand sich im Geraer Ortsteil Cretzschwitz. Doch statt auf dem entlegenen Stückchen Land im Osten Thüringens einem zwanglosen Aussteigerleben zu frönen, schlug das Paar - zunächst eher beiläufig - einen ganz anderen Weg ein.

Zunächst hielt die Familie zahlreiche Haustierarten für den eigenen Bedarf, angefangen bei Schweinen über Rinder bis hin zu Wassergeflügel. Mit der Zeit konzentrierte sie sich jedoch auf die Hühnerhaltung. Dabei setzten die Meisters nicht nur von Anfang an auf Bio-Richtlinien, sondern spezialisierten sich auch auf alte Zweinutzungsrassen. Hühner also, bei denen die Hennen regelmäßig Eier legen und die Hähne über nennenswerte Fleischpartien verfügen. Dabei hatten das Paar eine Geflügelproduktion in größerem Maßstab ursprünglich garnicht im Sinn. »Wie sich zeigte, bedienen wir jedoch mit der Mischung aus Bio-Eiern und Bio-Geflügelfleisch in der Region eine gefragte Nische«, berichtet Sabine Meister.

Mit etwa 20 Bio-Läden und Bio-Großhändlern aus dem mitteldeutschen Raum haben Meisters heute feste Lieferverträge. Parallel zum Vertriebsnetz wuchsen auch die Produktionskapazitäten. Von anfänglich zehn Hühnern im Jahr 2010 entwickelte sich der Bestand auf aktuell rund 4000 Hennen sowie auf Jahressicht rund 2000 Hähne. Die Nachfrage ist auch deshalb so hoch, da Familie Meister der einzige Geflügelhalter im Freistaat ist, der sowohl auf Zweinutzungshühner als auch auf Bruderhähne setzt. Der etwas sperrige Begriff bezeichnet die männlichen Küken von auf Legeleistung getrimmten Hybridrassen. In der konventionellen Haltung werden diese aufgrund ihres geringen wirtschaftlichen Wertes für gewöhnlich unmittelbar nach dem Schlüpfen getötet. Als Teil der bundesweiten Initiative erspart der Bioland-Hof mehrmals jährlich Bruderhahnherden von rund 300 Tieren dieses Schicksal.

In Zukunft möchten die Bio-Bauern ihre Haltung jedoch stärker auf die Zweinutzungshühner ausrichten. Momentan entstammen 600 Legehennen sowie 1000 Hähne Zweinutzungsrassen. Um die optimale Rasse für den Standort sowie die eigene Haltungsphilosophie zu finden, experimentiert das Ehepaar gleich mit mehreren alten Hühnerrassen. New Hamsphire, Australorp, Amrock, Marans, Jersey Giant, Niederrheiner sowie Bielefelder Kennhuhn lauten die Namen nur einiger Exoten, die auf Meisters Bio-Hof bereits beheimatet waren oder es noch sind.

»Noch ist die Nachfrage nach Zweinutzungshühnern relativ gering, sodass sich eine größere Umstellung unseres Bestandes nicht rechnen würde. Stattdessen streben wir einen fließenden Übergang an, der sich an der Marktsituation orientiert«, erklärt Peter Meister. Prinzipiell rechnet sich die Haltung von Zweinutzungshühnern nur im Bio-Bereich - schon weil sich die Rassen nicht für die konventionelle Mast eignen. Zudem sind da die geringeren Legeleistungen, die sich aber über den höheren Verkaufspreis für Bio-Produkte ausgleichen lassen. Zur Philosophie der Meisters, möglichst viele Prozesse in der eigenen Hand zu haben, gehört auch die Schlachtung. Für diesen Zweck errichteten sie einen EU-zertifizierten Schlachtraum auf dem Hof, in dem alle eigenen Tiere geschlachtet werden.

Die Tierhaltung zahlte sich nicht nur wirtschaftlich aus. So wurden Sabine und Peter Meister im Rahmen der Messe Grüne Tage Thüringen 2016 mit dem Bio-Preis des Thüringer Landwirtschaftsministerium ausgezeichnet. Mit ihrem Bio-Geflügelhof siegten sie in der Kategorie »Unverarbeitetes Bioprodukt«. »Die Jury überzeugte damals die Fleischqualität unserer Zweinutzungshühner«, erinnert sich Sabine Meister. Letztlich gab jedoch das Gesamtkonzept des familiär geführten Betriebs den Ausschlag für die Ehrung.

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